Versorgungssicherheit und Diversifizierung bei den Importen – das sind seit dem Überfall von Putins Truppen auf die Ukraine die Kernprobleme der Energiewelt. Doch auch in Europa und Deutschland lassen sich noch Quellen erschließen, um die Abhängigkeit zu mindern. Etwa durch den schnelleren Ausbau von Biogasanlagen. Was damit zur Energieversorgung beigetragen werden kann, das haben der Fachverband Biogas und der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) aktuell vor Journalisten erörtert.
Derzeit werden in Europa rund 17 Milliarden cbm Biogas für grünen Strom und Wärme erzeugt sowie 3 Milliarden cbm Biomethan, sagte Harmen Dekker, Geschäftsführer des Europäischen Biogas Verbands. Studien gingen davon aus, dass im Jahr 2030 das Volumen europaweit auf 35 und bis 2050 auf 100 bis 160 Milliarden cbm steigen werde. „Um diese 35 Milliarden cbm ins rechte Licht zu rücken: Es macht 2/3 der Kapazität aus, die Nord Stream 2 leisten könnte. Und bis 2050 wäre es mindestens das Zwei- bis Dreifache - was je nach dem zukünftigen Gasbedarf 30 bis 50 Prozent der EU-Nachfrage entspricht.“
Biogas sei zudem eine kostengünstige Lösung. Abhängig von der Größe der Anlagen und des Rohstoffeinsatzes lasse sich Biomethan zu Kosten ab 55 Euro/MWh, mittelfristig sogar zu 50 Euro herstellen, wenn die steigenden CO2-Preise eingerechnet würden. „Dann ist Biomethan allmählich eine wirtschaftliche Alternative zu fossilem Gas.“
Dekker schätzt, dass für das ins Auge gefasste Mengenziel rund 5.000 Biomethananlagen in Europa gebaut werden müssten, darunter etwa 1.000 Großanlagen und 4.000 mittelgroße. Deutschland habe aber gezeigt, dass dies möglich sei, denn hier seien binnen 9 Jahren 6.000 Anlagen in Betrieb genommen worden. Die zum Einsatz kommenden Energieträger sollen nach Angaben von Dekker hauptsächlich Lebensmittelabfälle, Abwasser, Folgekulturen und landwirtschaftliche Reststoffe sein.
Auch der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) fordert einen kräftigen Ausbau der Bioenergie. Bioenergie ist nach Einschätzung der Verbandspräsidentin Simone Peter das „Multitalent“ unter den Erneuerbaren, weil sie sowohl im Strom-, als auch im Wärmesektor und in der Mobilität eingesetzt werden kann.
Ferner komme dem Energieträger eine wichtige Rolle zu, weil er speicherbar sei und jederzeit die Lücke schließen könne, die sich bei den fluktuierenden Quellen von Sonne und Wind ergebe. „Biomethan kann problemlos ins Erdgasnetz eingespeist werden und damit auch das Gasnetz als riesigen Speicher und als ideales Transportmittel nutzen.“
Im EEG sind die staatlichen Subventionen für Biogasanlagen nach Angaben von Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas, seit mehreren Jahren gedeckelt. „Das ist nicht zeitgemäß.“ Wenn dieser Deckel beseitigt würde, könnten ad hoc 20 Prozent mehr bereitgestellt werden. „Das sind rund 5 Prozent des aus Russland gelieferten Gases – sofort verfügbar.“
Derzeit sind Seide zufolge 95 TWh erschlossen, mittelfristig sieht er ein Mengenpotenzial von 216 TWh, „das entspricht 42 Prozent der Erdgasimporte aus Russland, aber es setzt voraus, dass der Rahmen auch politisch gestaltet wird.“
Doch das sei noch nicht das Ende der Fahnenstange, bei Strom aus PV und Wind, der ansonsten abgeregelt werden müsse, „kommt unsere Technologie ins Spiel, denn wenn wir auf unsere Biogasanalgen Elektrolyseure aufbauen, sind wir in der Lage, daraus Methan zu machen.“ Dann wären sogar 450 TWh möglich. „Das sind 80 Prozent des russischen Gases.“