EU-Kommission legt Regeln für grünen Wasserstoff fest

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Die EU-Kommission hat lang erwartete Regeln vorgelegt, die die Umstände definieren, unter denen Wasserstoff als aus „erneuerbaren“ Energiequellen stammend gekennzeichnet werden kann. Dafür stellte die EU-Behörde zwei delegierte Verordnungen vor. In der einen wird festgelegt, unter welchen Bedingungen Wasserstoff als erneuerbar gilt, die andere enthält eine Methode zur Berechnung der Lebenszyklus-Treibhausgasemissionen. 

Die beiden Rechtsakte stünden miteinander im Zusammenhang und seien beide nötig, damit die erneuerbaren flüssigen oder gasförmigen Brenn- bzw. Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs (RFNBOs) auf das Ziel der Mitgliedstaaten im Bereich der erneuerbaren Energien angerechnet werden können, heißt in einer Mitteilung der EU-Kommission. Die längst überfälligen delegierten Rechtsakte ergänzen die Erneuerbaren-Richtlinie aus dem Jahre 2018 (RED II). Die zwei delegierten Rechtsakte gelten auch für importierte RFNBOs. Sie werden nun dem EU-Parlament und dem Rat zur Billigung vorgelegt. Beide haben zwei Monate Zeit, um den Vorschlag der Kommission anzunehmen oder abzulehnen.

Die erste Verordnung soll sicherstellen, dass RFNBOs, etwa  Ammoniak, Methanol oder E-Fuels, nur aus „zusätzlichem“ Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden können. Damit soll verhindert werden, dass durch die Wasserstofferzeugung ein zusätzlicher Strombedarf entsteht, der durch Stromerzeugung aus fossilen Brenn- bzw. Kraftstoffen gedeckt wird. Neben diesem Kriterium der Zusätzlichkeit müssen zwei weitere Kriterien (zeitliche sowie geografische Korrelation) erfüllt sein. So soll erneuerbarer Wasserstoff nur zu Zeiten und an Orten erzeugt werden, zu bzw. an denen ausreichend erneuerbare Energie zur Verfügung steht. 

Die zweite Verordnung enthält eine Methode zur Berechnung der Emissionseinsparungen von RFNBOs. RFNBOs werden nur dann auf das EU-Ziel für erneuerbare Energien angerechnet, wenn sie im Vergleich zu fossilen Brennstoffen Treibhausgaseinsparungen von mehr als 70 Prozent bringen. Das entspricht dem Standard für erneuerbaren Wasserstoff aus Biomasse.

Was das Kriterium der Additionalität betrifft, müssen Elektrolyseure zur Erzeugung von Wasserstoff an neue Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen angeschlossen werden. Denn die Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff soll Anreize dafür schaffen, die Menge der im Netz verfügbaren erneuerbaren Energie im Vergleich zur derzeitigen Menge zu erhöhen. Bis 2028 müssen Wasserstoffproduzenten nachweisen, dass ihre Elektrolyseure an erneuerbare Energien-Anlagen angeschlossen sind, die nicht älter als 36 Monate sind.

Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Vorschriften enthalten spezifische Kriterien, anhand derer Wasserstofferzeuger, sowohl für den Fall, dass ihre Produktionsanlage direkt an eine Anlage zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen angeschlossen ist, als auch für den Fall, dass der Strom aus dem Netz entnommen wird, nachweisen können, dass der von ihnen genutzte Strom erneuerbar ist. Besonders geeignet, den Grundsatz der „Zusätzlichkeit“ einzuhalten, sei der Abschluss eines Strombezugsvertrags mit Erzeugern erneuerbarer Energie.

Geographische Korrelation

Wird der Strom aus dem Netz genommen, sieht der erste delegierte Rechtsakt keinen Nachweis vor, wenn eine bestimmte Gebotszone einen Anteil von 90 Prozent erneuerbaren Stroms am Strommix erreicht. In solchen Zonen übersteigt die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen die Nachfrage bereits während eines Großteils des Jahres, sodass für die Wasserstofferzeugung überschüssiger Strom aus erneuerbaren Quellen, der andernfalls ungenutzt bliebe, verwendet werden könne. Auch ist kein Nachweis erforderlich, wenn die Emissionsintensität des Stroms unter einem bestimmten Schwellenwert liegt. 

Kriterium zeitliche Korrelation: Abgleich auf Monatsbasis bis 2030

Langfristig soll die Wasserstofferzeugung nicht in den Stunden erfolgen, in denen Strom aus erneuerbaren Quellen knapp ist. Während einer Einführungsphase bis zum 1. Januar 2030 dürfen die Erzeuger von erneuerbarem Wasserstoff die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen und die damit verbundene Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff auf Monatsbasis abgleichen. Das heißt, dass die Erzeuger von erneuerbarem Wasserstoff ihre Elektrolyseure zu jeder Stunde betreiben dürfen, solange die Gesamtmenge des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen der Gesamtmenge an erneuerbarem Wasserstoff entspricht, die in dem betreffenden Kalendermonat des Jahres erzeugt wurde. So soll es den Erzeugern von erneuerbarem Wasserstoff ermöglicht werden, ihren Kunden eine konstante Menge an erneuerbarem Wasserstoff zu liefern, insbesondere in den Fällen, in denen noch keine Wasserstoffinfrastruktur oder Speicheroptionen zur Verfügung stehen.

Wasserstoff aus Kernenergie gilt nicht als „erneuerbar“

Die zwei delegierten Rechtsakte stammen aus der Erneuerbare-Richtlinie, in der die Kernenergie nicht unter den erneuerbaren Energiequellen aufgeführt ist. Aber im Rahmen des im Dezember 2021 vorgeschlagenen Pakets zur Dekarbonisierung der Wasserstoff- und Gasmärkte, über das EU-Parlament und EU-Ministerrat demnächst verhandeln, hat die Kommission eine Definition von CO2-armem Wasserstoff vorgelegt, d. h. Wasserstoff, der aus nicht erneuerbaren Quellen stammt und während seines gesamten Lebenszyklus mindestens 70 Prozent weniger Treibhausgasemissionen erzeugt als fossiles Erdgas. Hierfür will die EU-Kommission bis zum 31. Dezember 2024  in delegierten Rechtsvorschriften eine Methode zur Bewertung der Treibhausgaseinsparungen durch CO2-arme Kraftstoffe festlegen.

Branchen-Kritik: "Wichtige Investitionsentscheidungen wurden unnötig verzögert" 

Aus deutscher Warte kritisierte die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Kerstin Andreae, mit Blick auf die aktuelle Vorlage der H2-Kriterien, die "Verzögerung von über einem Jahr" habe "wichtige Investitionsentscheidungen unnötig verzögert". Die nun verabschiedeten Kriterien blieben nun "so streng, dass sie Gefahr laufen, die Entstehung eines liquiden Wasserstoffmarkts zu erschweren". Sie erkannte aber an, dass die EU-Kommission "mit dem finalen delegierten Rechtsakt entsprechend der Forderungen des Europäischen Parlaments nun zumindest die Übergangsphasen bis zur Anwendung der strengen Regelungen für die Wasserstoffproduktion etwas verlängert" habe - auch wenn aus Sicht des Branchenverbands "eine Verlängerung aller Übergangsphasen bis Ende 2029 erforderlich gewesen" sei, sowohl für die Regelungen zum zeitlichen Zusammenhang zwischen Erzeugung des erneuerbaren Stroms und der H2-Herstellung als auch für die Anforderung, dass nur neue Erneuerbaren-Anlagen für die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff genutzt werden dürfen, der Additionalität.

Zudem sorge, so BDEW-Chefin Andreae, die Möglichkeit für Mitgliedstaaten, bereits zu einem früheren Zeitpunkt restriktivere Kriterien anzuwenden, für "unnötige zusätzliche Unsicherheit bei Unternehmen, die nun schnell in den Wasserstoffhochlauf investieren" wollten.

Aus Industriestrom-Sicht mahnte auch Christian Seyfert, Hauptgeschäftsführer des VIK – Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft, mahnte in Reaktion auf die Kriterien-Vorlage aus Brüssel an, "wenn die europäische Wirtschaft bei der Nutzung von Wasserstofftechnologien nicht abgehängt werden" solle, brauche es bei der Anwendung ein "unbürokratisches Vorgehen".

Artikel von Rainer Lütkehus
Artikel von Rainer Lütkehus