VKU-Talk zur klimaneutralen Kommune: Beim Bürger "solides Ressourcenbewusstsein schaffen"

Bild: AWM / Stadt Münster

Als die „wichtigsten Verbündeten“ für die Erlangung des Ziels der Treibhausgasneutralität 2050 bezeichnete Bundesumweltministerin Svenja Schulze auf der VKU-Verbandstagung 2021 die kommunalen Unternehmen. „Sie gestalten in nahezu allen Sektoren, ob Mobilität, Wohnen, Energieversorgung, Kreislaufwirtschaft“, kommentierte sie in einer Diskussionsveranstaltung zum Thema `Klimaneutrale Kommune´. „Kommunale Unternehmen wissen, wie wichtig es ist, den Klimaschutz in die Geschäftstätigkeit zu integrieren, sie gehen mit gutem Beispiel voran.“

Mit der Anhebung der europäischen Ziele für 2030 auf eine CO2-Minderung um 55 Prozent müsse hierzulande nachgesteuert werden, so Schulze. Da müsse nun „eine ordentliche Schippe draufgelegt“, und die „Handbremse muss endlich gelöst werden“. Es sei deutlich mehr zu tun beim Ausbau der Erneuerbaren, damit vor allem auch die Energiewirtschaft mehr Planbarkeit bekomme.

Die Trink- und Abwasserversorgung von Kommunen sei ein energie- und damit auch CO2-intensives Unternehmensfeld, sagte Karsten Specht, Geschäftsführer des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbands (OOWV). „Das Thema Energiebilanzen steht bei uns seit jeher hoch auf der Tagesordnung.“ Aber auch die Energiepotenziale, die in diesem Bereich abgeschöpft werden könnten, seien durchaus beeindruckend. Beispielsweise Klärgase, die in Blockheizkraftwerken zu Strom und Wärme umgewandelt würden, oder die Wärmenutzung aus Abwasser. Zu letzterem habe das Unternehmen bereits 2 Projekte umgesetzt, um damit Quartiere zu versorgen. Und auch die Aufbereitung von Kompost sei ein Beitrag zum Klimaschutz, denn jede Tonne „fixiert 30 Kilogramm Kohlendioxid“.

Ferner stünden auf eigenen Grundstücken Windenergie- und PV-Anlagen, „um den Strom im Eigenverbrauch intelligent einzusetzen“. Auch durch Optimierung der Prozesstechnik ließen sich die CO2-Emissionen deutlich senken. So habe das Unternehmen in einem Wasserwerk, dem größten Niedersachsens, quasi binnen eines Jahres den Energieeinsatz um fast 10 Prozent senken können.

Die nach der Novelle des Energiesteuergesetzes nun geltende Steuerbefreiung von Klärgas erfreut Specht. „Aber wir mussten dafür auch sehr kämpfen“, gesteht er. „Was wir für die Zukunft fordern, ist, dass die Rolle der kommunalen Daseinsvorsorge auch in anderen Politikfeldern mitgedacht wird.“

Auch in der kommunalen Abfallwirtschaft steckt eine Menge CO2-Vermeidungspotenzial. „Mit Schließen der Deponien wurden national mehr als 7 Prozent der CO2-Gesamtemissionen eingespart. Das haben wir geschafft, weil wir parallel eine Infrastruktur für eine energetische Abfallverwertung aufgebaut haben“, erklärte Patrick Hasenkamp, Betriebsleiter der AWM Abfallwirtschaftsbetriebe Münster. Die daraus gewonnene Energie werde als Strom oder Fernwärme genutzt. Im Bereich der Bioabfälle seien weitere Energiequellen erschlossen worden, um daraus ebenfalls Strom und Wärme zu erzeugen, oder das Gas werde dem Erdgasnetz beigemischt. In Berlin werde Biogas genutzt, um einen Teil der Fahrzeugflotte in der Abfallwirtschaft zu betreiben. Und tendenziell ist die Branche Hasenkamp zufolge orientiert, ihre Fuhrparks auf alternative Antriebe umzustellen, um so auch gegen die nun ebenfalls im Verkehrssektor anfallenden und nunmehr allmählich steigenden CO2-Kosten gewappnet zu sein.

Aber nicht nur die technische Schiene hält Hasenkamp für wesentlich bei der CO2-Vermeidung. „Wir richten uns auch an die Bürger, ein solides Ressourcenbewusstsein zu schaffen.“ Man verzichte schließlich nicht auf Lebensqualität, „wenn wir nicht mehr die 220 Kilogramm Verpackungsmüll jährlich pro Kopf konsumieren“. Diese Einsicht wachse glücklicherweise zunehmend in der Gesellschaft. Zudem sei es notwendig, Klimaschutz auch bei den Herstellern von diversen Gütern einzufordern. „Wir brauchen langlebige und reparaturfähige Produkte, und das möglichst aus regionaler Fertigung.“

Die Energiewende als ein „großes Mitmachprojekt zu verstehen, das auch Spaß machen kann“, das ist die Vision von Wolfram Axthelm, Geschäftsführer im Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE). „Wir müssen dahin kommen, dass wir Menschen dafür begeistern.“ Dazu sei es nötig, die Erzeugung erneuerbarer Energien nicht nur dem ländlichen Raum zu überlassen, sondern sie auch in der Stadt zu erbringen. Mehr PV auf den Dächern oder auf Balkonen, aber auch im Wärmebereich die Geothermie, und der Breitbandausbau könne helfen, die Vernetzung im Urbanen für die neue Energiewelt zu organisieren. „Und die öffentliche Hand sollte Vorbildcharakter haben.“

Akzeptanz sei ein wesentlicher Schlüssel beim Aufbau der Erneuerbaren und speziell auch bei der Windenergie, mit der es zügig weitergehen müsse. Schon vor Jahren hätten sich die Städtischen Werke in Kassel mit umliegenden Gemeinden zusammengesetzt, um gemeinsam Windparks zu planen - mit dem Ergebnis, dass es keine Widerstände gegeben habe. „Wir müssen die Energiewende zu einem Projekt eines ganzen Landes machen.“

Unausgewogen, aber dennoch wichtig findet Axthelm das Investitionsprogramm der Bundesregierung in Sachen Förderung der Elektromobilität. Hiermit werde lediglich die obere Mittelschicht mit Eigenheim und Wallbox beim Kauf eines E-Autos bezuschusst. Für Städter sei das meist keine Option. Parallel dazu müsse daher der ÖPNV unterstützt werden, um ihn attraktiver zu machen und um die CO2-Emissionen im Verkehrssektor zu verringern. Und auch im Wärmebereich wird es nach Einschätzung von Axthelm zukünftig nicht ohne Investitionsprogramme gehen können.

Unternehmen
Artikel von Klaus Lockschen
Artikel von Klaus Lockschen