Im Frühsommer dieses Jahres traten umfassende Beschlüsse zur Weiterentwicklung des Europäischen Emissionshandels (EU-ETS) in Kraft. Mit welchen Änderungen das EU-ETS ambitionierter ausgestaltet und ausgeweitet wird, erklären Jürgen Landgrebe, Daniel Klingenfeld und Jan Weiß*von der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt (UBA).
Als Teil des European Green Deal hat die Europäische Kommission im Rahmen des so genannten „Fit for 55“-Pakets im Sommer 2021 umfassende Vorschläge zur Weiterentwicklung des EU-ETS vorgelegt. Maßgebliches Ziel dieser Reforminitiative ist die Neuausrichtung des Instruments auf das angehobene Klimaschutzziel der EU für 2030 (Treibhausgasminderung mindestens 55 Prozent statt 40 Prozent gegenüber 1990). Im Mai und Juni dieses Jahres sind nun die europäischen Rechtsakte zur Reform des EU-ETS in Kraft getreten. Das Reformpaket umfasst die folgenden Kernelemente:
Das Ambitionsniveau im bestehenden EU-ETS 1 (Energie, Industrie und Luftverkehr) wird über eine Senkung der Emissionsobergrenze (Cap) bereits ab 2024 sehr deutlich angehoben. Die Emissionen sollen bis 2030 um 62 Prozent gegenüber 2005 gesenkt werden (bislang 43 Prozent). Für die Marktstabilitätsreserve (MSR) wird die ursprünglich befristete Verdoppelung der Entnahmerate bis 2030 verlängert, überschüssige Zertifikate werden dauerhaft gelöscht. Die kostenlose Zuteilung für die energieintensive Industrie bleibt grundsätzlich bestehen, wird aber zu einem Teil an die Einhaltung von Bedingungen geknüpft und insbesondere für die Branchen reduziert, die ab Oktober dieses Jahres vom neuen CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) erfasst sind – dort wird sie ab 2026 schrittweise und analog zur Ausweitung der CBAM-Bepreisung auf null zurückgefahren. Mit dem CBAM unterliegen in die EU eingeführte energieintensive Grundstoffe und Produkte künftig demselben CO2-Preis wie im Binnenmarkt produzierte Güter. Im Zusammenwirken mit dem CBAM setzt der EU-ETS 1 damit künftig noch stärkere Impulse zur Dekarbonisierung unserer, aber auch der Industrie in Drittstaaten.
Der Anwendungsbereich des EU-ETS 1 wird um den Seeverkehr erweitert. Die Emissionen aus Fahrten innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und Emissionen am Liegeplatz werden vollständig erfasst. Emissionen aus Fahrten, die vom Ausland im EWR ankommen bzw. vom EWR ins Ausland abgehen, werden zu 50 Prozent abgedeckt. Die Einbeziehung erfolgt schrittweise ab 2024. Auch im Luftverkehr steigt das Ambitionsniveau. Dies geschieht zum einen durch die deutliche Absenkung des Cap sowie durch das Auslaufen der kostenfreien Zuteilung bis Ende 2025. Darüber hinaus werden ab 2025 die so genannten Nicht-CO2-Effekte des Luftverkehrs – zunächst über ein Monitoring, später voraussichtlich auch mit einer Abgabepflicht – in den EU-ETS 1 einbezogen.
Für die Emissionen im Straßenverkehr, von Gebäuden sowie kleinen Industrie- und Energieanlagen, die nicht unter den EU-ETS 1 fallen, wird ab 2027 ein zusätzlicher Emissionshandel eingeführt (EU-ETS 2). Die Bepreisung erfolgt vergleichbar zu dem bereits 2021 in Deutschland eingeführten nationalen Emissionshandel (nEHS) über einen Upstream-Ansatz, das heißt die Inverkehrbringer von Brennstoffen müssen Emissionsberechtigungen abgeben. Die damit einhergehenden Kosten geben die Inverkehrbringer an die Endverbraucher*innen weiter und setzen damit Anreize für klimaschonendes Verhalten. Die Berechtigungen werden vollständig versteigert. Entscheidend ist, dass der EU-ETS 2 mit einem bindenden Cap ausgestattet wird – die CO2-Preise bilden sich damit am Kohlenstoffmarkt. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zum nEHS, der in den EU-ETS 2 überführt wird. Die Minderung im EU-ETS 2 soll bis 2030 bei 42 Prozent gegenüber 2005 liegen. Aufgrund schleppender bisheriger Klimaschutzfortschritte in den betroffenen Sektoren wird das Cap aber noch schneller als im EU-ETS 1 sinken, die Preisdynamik könnte erheblich sein. Die Implikationen des EU-ETS 2 auf die privaten Haushalte müssen daher über den Klimasozialfonds und die Verwendung der nationalen Versteigerungseinnahmen aktiv flankiert werden: Das Umweltbundesamt spricht sich hier für die Einführung einer Klimaprämie und spezifische Förderprogramme für vulnerable Haushalte aus.
Mit den Beschlüssen im Rahmen des Fit for 55-Pakets wird der EU-ETS deutlich und nachhaltig als Leitinstrument gestärkt. Mehr noch kann das Reformpaket als eine klimapolitische Zeitenwende für die EU bezeichnet werden. Hierfür sind zwei zentrale Eckpunkte maßgeblich:
Als zuständige Behörde bereitet die DEHSt aktuell den Vollzug der novellierten Regeln zum EU-ETS in Deutschland vor. Aufgrund der knappen Fristen stellt dies eine große Herausforderung dar. Wesentlicher Garant für eine termingerechte Umsetzung sind unsere hochmotivierten Mitarbeiter*innen und die rechtzeitige und transparente Kommunikation mit den betroffenen Unternehmen und Verbänden. Hier schließen wir an unsere langjährigen Vollzugserfahrungen an.
*Dr. Jürgen Landgrebe, Fachbereichsleiter V, Klimaschutz, Energie, Deutsche Emissionshandelsstelle; Prof. Dr. Daniel Klingenfeld, Abteilungsleiter V3, Energieanlagen Luft- und Seeverkehr, Register und ökonomische Grundsatzfragen. Jan Weiß leitet das Fachgebiet V3.3 - Ökonomische Fragen des Emissionshandels, Auktionierungen, Auswertungen.