Die Unternehmen der noch jungen Erneuerbaren-Branche der Höhenwindenergie stehen in den Startlöchern. Nicht zuletzt von der jüngsten Anerkennung durch das deutsche EEG-Förderregime erhofft sich der Sektor weiteren Schub für den Markthochlauf. Über fortbestehende regulatorische Hürden, die erwartete Entwicklung bei den Kosten der Technologie u.w.m. sprach der EID mit Kristian Petrick, Geschäftsführer des Flugwindenergieverbands Airborne Wind Europe.
EID: Herr Petrick, vielleicht das Wichtigste zu Beginn: Bei den politischen Rahmenbedingungen für die Höhenwindenergie und die erstrebte Markteinführung der Technologie hat es jüngst einen politischen Paukenschlag gegeben …
Petrick: In der Tat, parallel zu unserem jüngst in Madrid zu Ende gegangenen Kongress AWEC ist im Deutschen Bundestag – im Zuge des Beschlusses zum Solarpaket I – die Entscheidung gefallen, dass Höhenwindenergie als neue geförderte Technologie in das Erneuerbare-Energien-Gesetz aufgenommen wird. Wir haben den Moment in Madrid im Plenum live verfolgt, und der Beschluss sorgte spontan für Jubel.
EID: Es handelt sich also europaweit – oder gar weltweit – um die erste Förderung für die Höhenwindenergie bzw. für „Flugwindenergieanlagen“, wie es nun im EEG heißt?
Petrick: Ja, in diesem Punkt ist Deutschland nun Vorreiter. Es gibt noch keine spezifische Vergütung in anderen Ländern. Auch etwa in den USA kann man zwar Vergünstigungen beispielsweise bei der Steuer nutzen, aber das sind keine technologiespezifischen Förderungen.
EID: Wie genau sieht die neu geschaffene Förderregelung aus? Sind Sie im Detail zufrieden mit der Ausgestaltung, Was genau bedeutet die Deckelung der Förderung im EEG auf 50 MW?
Petrick: Der besondere Einspeisetarif, den die Höhenwindenergie – der Förderung von Kleinwindanlagen folgend – künftig erhält bzw. der anzulegende Wert liegt beim 1,55-fachen der letzten Ausschreibung von klassischen Onshore-Windenergieanlagen. Wir bekommen also pauschal diesen Faktor und genießen damit das Privileg, dass wir keinen Gütefaktor für den individuellen Standort ermitteln müssen. Diese Besonderheit gilt, bis wir 50 MW Ausbau erreicht haben. Aus meiner Sicht ist diese Grenze allerdings zu eng gefasst – für eine Technologie, die erst wettbewerbsfähig werden muss, das hätte gern ein bisschen höher ausfallen können.
EID: Wie hoch wird Förderung innerhalb des 50 MW-Rahmens letztlich ausfallen?
Petrick: Da für herkömmliche Anlagen der Höchstwert 2024 auf maximal etwas über 7 Cent je kWh gedeckelt ist, kommen wir – multipliziert mit jenem Faktor 1,55 – auf 11,39 Cent je kWh als Höchstwert. Im Ergebnis sind damit Vergütungen zwischen 10 und 11 Cent je kWh wahrscheinlich – was natürlich viel zu wenig ist für uns.
EID: Welche Vergütungshöhe schwebte der Branche vor?
Petrick: Unsere Unternehmen bräuchten etwa 20 Cent, um kostendeckend zu sein. Unser Vorschlag war, mit dem Faktor drei zu multiplizieren, um etwa auf diesen Wert zu kommen, und dann eine ambitionierte Regression einzubauen.
EID: Mehr Licht oder mehr Schatten also bei der neuen Regelung … ?
Petrick: Am Ende sehen wir sehr positiv, dass Flugwindenergie nun endlich als eigenständige Technologie anerkannt ist. Auf diesem Durchbruch beim EEG wollen wir aufbauen. Im EEG zu stehen, ist etwas, das man weltweit vermarkten kann – nach der Devise, schaut mal, die Deutschen haben Flugwindenergie ins EEG geschrieben, da können andere nachziehen. Denn viel hängt auch von der Forschungs- und Projektförderung in anderen Ländern ab. Und dafür kann das EEG ein Argument sein, denn das Gesetz ist weitgehend bekannt in Ländern, die sich mit Erneuerbaren beschäftigen.
EID: In der klassischen Windkraft gibt es einen Überbietungswettbewerb der MW- Klassen. Was gilt für die Entwicklung der Anlagengrößen bzw. Leistungsklassen bei Höhenwind?
Petrick: Auch im Bereich der Flugwindenergie werden die Anlagen mittel- und langfristig größer werden. Derzeit jedoch sehen wir auch einen anderen Trend. Vor einigen Jahren wollte man möglichst schnell die MW-Klasse erreichen, allerdings war dies meist zu ambitioniert und teuer. Daher fokussierte man sich auf einen Einsteigermarkt mit etwa 100 kW. Immer mehr Anbieter tendieren nun auch dazu, ihre ersten kommerziellen Produkte zwischen 30 und 50 kW zu etablieren. Denn diese kleineren Anlagen sind oft schon längere Zeit als Testanlagen im Einsatz, und man sieht nun, dass es potenzielle Märkte und eine Nachfrage in diesem Segment gibt. Die Unternehmen können also früher Umsatz generieren und zeigen, dass die Technik funktioniert, statt zu früh den nächsten, kostspieligen Entwicklungszyklus zu starten.
EID: Muss die Branche mit ihren Anlagen den BImSchG-Genehmigungsprozess regulär durchlaufen?
Petrick: Wir hätten uns gewünscht, als Technologie im EEG eine BImSchG-Befreiung zu erhalten oder vereinfachten Vorgaben zu unterliegen. Nun herrscht weiter Unklarheit. Mehrere unserer Mitglieder durchlaufen den Prozess derzeit, und wir hoffen, dass sich aus den Erfahrungen einige Genehmigungs-Aspekte ergeben, die vorerst ausgelassen werden können. Beispielsweise könnte man beim Thema Schattenwurf oder bei der Raumbedeutsamkeit dazu kommen, dass für eine Erprobungsphase Höhenwindenergieanlagen bestimmte Nachweise nicht erbringen müssen. Es gibt vielfach noch keine Standards, aber die Erfahrung wächst. Dieses Wissen sollte möglichst umfassend geteilt werden, damit nicht jedes Bundesland und jede Umweltbehörde unterschiedliche Anforderungen stellt.
EID: Flugwindkraftanlagen treten räumlich in Konkurrenz zum Luftverkehr ...
Petrick: Hier gibt es einige grundsätzlich zu klärende Fragen, die derzeit – im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums –mit Stakeholdern diskutiert werden. Einige unserer Verbandsunternehmen schlagen etwa vor, die Anlagen luftverkehrsrechtlich als „Hindernis“ zu definieren. Es könnte aber auch sinnvoll sein, sie als Drohnen zu betrachten – oder eine Mischung aus beidem. Als Hindernis wie etwa eine Windturbine oder ein Mast müssten andere Luftraumnutzer die Anlagen umfliegen. Wir sprechen bei Flughöhen unter 800 m ja nicht über Verkehrsflugzeuge, sondern über Privatflieger, Rettungshubschrauber usw. Sie würden in den Karten verzeichnet und mit Lichtkennzeichnung versehen. Auf diese Weise könnten wir dauerhaft Strom produzieren, ohne zu oft ‚abtauchen‘ zu müssen. Das wäre auch rechtlich relevant, sollte es doch einmal zu einer Kollision kommen. Andererseits könnte die Fähigkeit, transpondergesteuert abzutauchen, auch ein Vorteil sein, um mehr Standorte zu erschließen. Deshalb könnte es für bestimmte Systeme notwendig sein, dass sie die Sicherheitsvorgaben aus der Drohnenregulierung erfüllen. Je nach Einstufung – Hindernis oder Drohne – sind allerdings unterschiedliche Behörden, Bundesverkehrsministerium bzw. Luftfahrtbundesamt, zuständig, was es nicht unbedingt einfacher macht.
EID: Trotz dieser regulatorischen Unklarheiten: Welche Ausbauziele hat sich die Höhenwindenergie-Branche gesteckt?
Petrick: Es ist heute absehbar, dass wir wohl nicht auf die Hochlaufkurve von knapp 1 GW bis 2030 kommen, die wir vor wenigen Jahren in einem Whitepaper definiert hatten. Das liegt vor allem daran, dass die Branche bislang weniger von Finanzierungen und Förderung profitiert, als es notwendig gewesen wäre. Daher sind wir vorsichtiger, die Ausbau-Dynamik vorherzusagen oder konkrete Ausbauziele zu nennen. Die Technologie wird politisch leider noch immer nicht ernst genug genommen. Wenn man etwa mit der Ocean Energy vergleicht, spielen solche Anlagen beispielsweise im EU-Horizon-Programm eine viel größere Rolle, obwohl Ocean Energy in den letzten Jahren auch nur wenige MW Leistung ans Netz gebracht hat und das gesamte Potenzial sogar geringer ist. Der Fokus auf Höhenwind fehlt in nahezu sämtlichen Forschungsprogrammen. Hier wird hoffentlich die Aufnahme ins EEG helfen, aber auch die erste jüngst extern validierte Leistungskurve beim Hamburger Unternehmen SkySails (EID 14/24, die Red.), welche nachweist, dass Flugwindenergie technologisch bereit für den Markthochlauf ist.
EID: Wie könnten Sie als Branche dem Mangel an politischer Aufmerksamkeit entgegenwirken? Welche unabweisbaren Vorteile der Technik sehen Sie?
Petrick: Was wir noch deutlicher machen wollen, ist, dass Höhenwind komplementär zu anderen Technologien einsetzbar ist. Wir können Wind auch dort nutzen, wo klassische Windkraft nicht eingesetzt werden kann – z.B. aus logistischen, umweltrechtlichen oder Akzeptanzgründen. In anderen Weltregionen sind die Anlagen auch etwa für Hurricane-Gegenden geeignet. Dazu werden wir nachweisen, dass wir einen Kite schnell einziehen und richtig verstauen können.
Hinzu kommt das Thema Kreislaufwirtschaft. Wir sind sehr materialsparsam. Ein 120 kW-System etwa kommt auf rund 16 Tonnen. Das ist weniger als die Hälfte pro installierter Leistung als bei herkömmlichen großen Windanlagen. Hinzu kommt die höhere Volllaststundenzahl, dadurch landen wir dann im Vergleich bei unter 30 Prozent des Materialeinsatzes – niedriger als alle anderen Erneuerbaren-Technologien. Bei der Frage der nachhaltigen Windkraft-Produktion stehen allerdings meist etwa die Windturbinenflügel im Mittelpunkt oder wie sich der Turm nachhaltig konstruieren lässt. Unser Pluspunkt, Materialien wie Stahl, Beton, Aluminium und auch seltene Erden von vornherein einzusparen, wird dabei aus unserer Sicht nicht ausreichend wahrgenommen.
EID: Wie werden sich die Kosten für Höhenwindenergie-Projekte entwickeln?
Petrick: Mittelfristig werden wir für eine Anlage auf Investitionskosten kommen, die bei einer 100 kW- oder 150 kW-Anlage bezogen auf die kWh schon sehr nah bei Onshore-Wind und PV liegen – insbesondere wegen der Volllaststunden-Zahl von rund 3.000 bis 5.000 pro Jahr. Eine PV-Anlage kommt in Deutschland auf knapp 1.000 Stunden. Pro installiertem kWh ernten wir im Vergleich zu Solar drei bis fünf Mal so viel Energie – und gegenüber Windturbinen eineinhalb bis zwei Mal so viel, weil wir höher fliegen. Heute sind die Anlagen natürlich noch teurer, weil die Entwicklungs- und Fertigungskosten hoch sind, solange nur wenige Systeme gebaut werden. Wenn es gelingt, in den nächsten Jahren zu einer Serienproduktion zu kommen, werden die Kosten schnell deutlich sinken.
EID: Ist Kostenhalbierung bis 2030 drin?
Petrick: Durchaus, von 20 Cent je kWh auf 10 Cent zu kommen in den nächsten fünf bis sieben Jahren, das halte ich für möglich. Das hängt aber auch davon ab, in welcher Größenordnung noch Förderungen aufgesetzt werden. Der neue Einspeisetarif kann allenfalls die marginalen Kosten abdecken, aber nicht die Entwicklungskosten. Wir brauchen weiter öffentliches und privates Funding für den gesamten Entwicklungsteil. Auf lange Sicht, eben weil wir viel weniger Materialeinsatz haben, wird Höhenwindenergie unterhalb der Kosten für Onshore-Wind und Sonne liegen. Trotzdem möchte ich betonen, dass wir den schnellen Ausbau von klassischer Windkraft und PV zur Erreichung der Klimaziele brauchen. Aber wir brauchen auch innovative Technologien, für die die EU-Erneuerbaren-Richtlinie ja sogar ein 5 Prozent-Ziel bis 2030 vorsieht. Wenn Flugwindenergie angemessen gefördert wird, dann kann ihr Beitrag durch Skalierung und Massenproduktion bereits mittelfristig signifikant sein.
EID: Herr Petrick, vielen Dank für das Gespräch.
In der Höhenwindenergie-Branche sind heute zwei technologische Ansätze vorherrschend, erläutert gegenüber dem EID der Geschäftsführer des Branchenverbands Airborne Wind Europe, Kristian Petrick. „Das eine ist die Erzeugung am Boden – der Achtenflug des Kites rollt das Seil von einer Winde ab, was den Generator am Boden antreibt, der den Strom erzeugt. D.h. in der Luft hat man nur den Kite – Soft-Kites oder Starrflügler.“ Die andere Möglichkeit sei, in der Luft den Strom zu erzeugen: „Der Kite fliegt in Achten, es drehen sich die Propeller, die in Generator-Modus laufen, und der Strom wird über das Kabel zur Bodenstation abgeleitet und dort ins Netz eingespeist. Wichtiger Trend ist dabei seit einigen Jahren, dass die Drachen ‚cross wind‘ fliegen, also auf Halbwindkurs, und damit schneller als der Wind. Früher wurden auch andere Systeme entwickelt, z.B. Windturbinen, die mit Ballons in der Luft gehalten wurden. „Diese Ansätze werden aber mittlerweile kaum noch verfolgt, weil sie zu wenig Leistung bringen“, so Petrick.