Lange Genehmigungszeiten bei Erneuerbaren-Projekten hängen offenbar stark von der Zahl der beteiligten Behörden und Amtsstuben in Deutschland ab. So funktioniere zwar die Umsetzung der Genehmigungsverfahren für Offshore-Windprojekte meist „wunderbar“, wie Jörg Kubitza, Geschäftsführer der deutschen Sparte des dänischen Offshore-Wind-Konzerns Ørsted in einer Diskussionsveranstaltung beim Handelsblatt Energie-Gipfel berichtete. Etwa das im Bau befindliche Gode Wind 3 in der südöstlichen Nordsee mache gute Fortschritte. Ein Grund sei, dass man sich mittlerweile über ein Jahrzehnt hinweg mit dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) „eingeschliffen“ habe.
Für Wind an Land sieht das allerdings schon anders aus, denn da sei die Zahl der beteiligten Behörden deutlich größer. „Die einzelnen Prozesse sind hier sehr langwierig, kleinteilig und werden unterschiedlich gehandhabt. Da kann man noch viel tun“, betont wiederum Stefan-Jörg Göbel, Senior Vice President (Germany) von Statkraft, dem größten europäischen Erzeuger von erneuerbarer Energie. Doch Göbel übt durchaus auch Selbstkritik, die Branche könne mehr tun: „Wir müssen unsere Projekte vor Ort viel besser erklären, denn am Ende ist der Genehmigungsprozess ja nur Ausdruck einer demokratischen Verhandlung von Interessensabwägungen.“
Sich genug Zeit nehmen, um lokal mit den Menschen zu reden und die örtliche Politik zu überzeugen, und das schon vor dem Genehmigungsverfahren, das sei einer der Schlüssel für gute Vorarbeit. Denn anders als in der politischen Parteienlandschaft in Berlin stoße die Wertigkeit für den Ausbau Erneuerbarer Energien bei Lokalpolitikern mitunter auf örtliche Widerstände. Hier gelte es, zwischen nachvollziehbaren und vorgeschobenen Argumenten zu unterscheiden. Als richtigen Schritt wertet es Göbel, dass der Gesetzgeber nun die Regelung geschaffen habe, die Kommunen mit 2 Euro pro MWh zu beteiligen.
Zwar hätten die Genehmigungen für Wind an Land im vergangenen Jahr deutlich zugelegt, aber die Aufwärtskurve verlaufe noch zu flach. „Wir wollen bis Ende dieses Jahrzehnts pro Jahr 10.000 MW neu an Onshore-Projekten zulegen. Ich sehe aber nicht, dass wir dafür richtig ausgestellt sind.“ Die Branche müsse sich um mehr Mitarbeiter kümmern, zudem müsse die Produktion erhöht werden. Ein „riesiger Faktor“ sei zudem, 2 Prozent der Bundesfläche für die Windenergie bereitzustellen. Dies müsse aber schneller geschehen als geplant. „Wenn wir erst 2026 oder 2027 damit anfangen, ist das nicht radikal genug.“
Von einem europäischen Zusammenwachsen im Offshore-Bereich sei der Kontinent selbst gedanklich noch fern, ist Jörg Kubitza überzeugt. Zwar hätten sich die Nordsee-Anrainerstaaten in der Esbjerg-Deklaration zum Ausbau der Offshore-Windkapazität auf 65 GW bis 2030 und 150 GW bis 2050.verpflichtet, „aber in der Realität ist es so, dass etwa die Holländer erst mal mit ihren neuen Anlagen unsere Windparks verschatten und uns damit die Effizienz nehmen. Mit einer Abstimmung ist da noch leider nichts.“ Probleme dieser Art, „wem der Wind gehört“, müssten zukünftig auf europäischer Ebene reflektiert und gelöst werden, so der Ørsted-Mann.
Dringlich sei auch ein schneller Netzausbau. „Wir sind als Offshore-Infrastruktur anfällig. Wenn man vermaschte Netze hätte, könnte man die Energie auch in Nachbarländer abführen. So weit sind wir aber nicht – nicht technisch und ebenfalls nicht regulatorisch.“ Auch was ein Wasserstoffnetz angehe. „Wir sind noch in den Anfangsstunden dieser europäischen Idee. Da müssen wir weiter ran.“
Besorgt äußert sich Kubitza über den Inflation Reduction Act der USA. „Die Wertschöpfungskette im Offshore-Bereich ist eine globale.“ Wenn diese wenigen großen Hersteller von Windkraftanlagen wie etwa Siemens Gamesa zukünftig eher nach Amerika schauten, wenn sie die Produktion erweitern wollten, dann sei das problematisch. „Wir brauchen in Europa unsere Wertschöpfungskette, um unsere Ausbauziele zu erreichen.“ In Zukunft müsse hier mehr Industriepolitik gemacht werden, um die Energiewende umsetzen zu können. „Wir müssen jetzt ins Tun kommen, das geht nur mit der Industrie. Die braucht unsere Hilfe, die hat uns geholfen mit großen Anlagen-Innovationen. Da ist jetzt die Zeit gekommen, was zurückzugeben.“