Geschätzte 400 bis 440 Gigawatt an neuen Kraftwerken werden in diesem Jahr weltweit wohl installiert werden, die Hälfte davon Solarkraftwerke. „Das zeigt den globalen Impact, die gewaltige Power, die hinter dieser Technologie steckt“, kommentierte Stefan Wenzel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium (Bündnis 90/Grüne), auf der Konferenz Forum Solar Plus in Berlin.
In Deutschland zieht der PV-Zubau kräftig an. Nachdem im Oktober bereits das Jahresziel von 9 GW erreicht wurde, wird nun für das Gesamtjahr mit knapp 12 GW gerechnet – nach gut 7 GW in 2022. „Wir müssen hoch auf 22 GW“, unterstrich Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), mit Blick auf die Zeit ab 2026. „Wir sind zwar auf gutem Weg, aber wir brauchen weitere Anreize und den Abbau regulatorischer Hemmnisse.“ Die Wertschöpfungskette in der PV-Technologie gehöre wieder nach Deutschland zurück, dies aber, ohne Zölle und Handelsbarrieren aufzubauen.
Doch je stärker das Stromsystem auf den fluktuierenden Quellen Wind und Sonne basiert, desto mehr steht die Erhaltung der Systemstabilität im Fokus. Hochflexible steuerbare Kraftwerke müssen dann die Residuallast absichern. Kommt zu viel Strom von den Erneuerbaren, wird abgeregelt. „Im vergangenen Jahr hatten wir 620 GWh, die nicht eingespeist werden konnten. Bei einem Gesamteinspeisevolumen von 50.000 GWh ist das gut ein Prozent“, so Wenzel. Trotzdem solle auch dieser Strom zukünftig nicht ungenutzt bleiben. „Wir wollen die Verbraucher gewinnen, sich netzdienlich zu verhalten und in solchen Phasen Strom für neue Anwendungen zu nutzen“ - Etwa in der Mittagsspitze zum Einspeisen in PtH-Anlagen. Natürlich müsse auch dazu das Netz dringend ausgebaut werden.
„Die Flexibilität können wir heimisch aufbauen - etwa mit Bioenergie, Wasserkraft, PtX, Sektorkopplung und Netzoptimierung“, betonte Peter. Es gebe ein großes Potenzial an derzeit nicht angereizter dezentraler und heimischer Back-up-Kapazität. Bei Wasserstoffimporten zeigt sie sich skeptisch. „Vielleicht halsen wir uns da wieder ein riesiges Kostenkonstrukt auf, was uns dann vor die Füße fällt.“ Zudem sei die Frage der Importländer noch ungeklärt. Grüner europäischer Wasserstoff werde bis 2030 durchaus konkurrenzfähig sein, ist Peter überzeugt.
„Strom, Gas, dazwischen die Netze, Speicher und Flexibilitäten, das sind die 5 Elemente der neuen Energiewelt“, so sieht es Kerstin Andreae, Vorsitzende der Geschäftsführung des BDEW. All das müsse systematisch und integriert entwickelt werden – „eine Herausforderung“. Anders als ihre BEE-Kollegin bewertet sie das jetzt beschlossene Wasserstoff-Kernnetz von knapp 10.000 Kilometern Länge und einen massiven Anteil an H2-Importen aber als unverzichtbar.
„Wenn wir über eine dezentrale Energiewelt sprechen, ist es wichtig, auch die Netze mitzudenken“, die über 20 Jahre hinweg von der Politik kaum angerührt worden seien, so Andreae weiter. Kein Verbraucher sei vollkommen energieautark und werde es zukünftig nicht sein, auch wenn Energieproduktion und -verbrauch immer dezentraler würden. Wie diese Netze zu finanzieren seien, diese Diskussion müsse allerdings noch geführt werden.
Jürgen Reinert, Vorstandssprecher von SMA Solar Technology, einem insbesondere auf Wechselrichter für PV-Anlagen spezialisierten Unternehmen, sieht bei der Schaffung von Flexibilitäten noch viel Potenzial in diesen Geräten. In ihnen stecke ausreichend Intelligenz, um den Eigenverbrauch zu optimieren und unterschiedliche Sektoren etwa über Mieterstrom und Quartierspeicher zu koppeln. „Wir müssen mehr in den Experimentiermodus kommen, also nicht nur über den Strommarkt und deren Gestaltung sprechen, sondern schnell umsetzen.“ Reinert verwies darauf, dass sein Unternehmen Daten erhebe, „was wo eingespeist wird, das Ganze kombiniert mit guten Wettervorhersagen. Diese Intelligenz haben wir und können sie auch nutzen.“ Der Netzausbau sei gewiss notwendig, aber wie groß er ausfallen müsse, das hänge davon ab, wie sinnvoll Erzeugung, Verbrauch und Speicher zusammengebracht würden.
Das junge Energie-Start-up 1komma5° will mit intelligenter KI die Vernetzung der Stromproduktion auf dem Eigenheim-Dach sowie Verbrauch und Handel optimieren. „Die Technologie, die Instrumente sind da, sie klicken aber manchmal noch nicht so ganz ineinander“, sagte Sophia Rödiger, CMO des Hamburger Unternehmens. Es bietet seinen Kunden PV, Stromspeicher, Wärmepumpen und Ladelösungen – und managt die Anlagen, indem sie extern gesteuert werden. So lasse sich auf Wetterbedingungen reagieren, auf den Strommarkt zugreifen und Überflussstrom aus Sonne und Wind nutzbar machen. Für die Kunden bedeute das Einsparungen, und „sie sehen, dass das zu keinen Einschränkungen führt“, so Rödiger.