Eine wachsende Zahl der Länder setzt zur Akzeptanz-Steigerung auf zwingende finanzielle Beteiligung von Gemeinden und Bürgern an Erneuerbaren-Projekten. In der Branche regt sich auch Kritik.
Um die lokale Akzeptanz von Erneuerbaren-Projekten – insbesondere vor dem Hintergrund der Windausbau-Flaute der letzten Jahre – zu erhöhen, hatte die Bundespolitik im Jahr 2021 mit § 6 EEG eine Regelung aufgelegt, die es Windkraft- oder PV-Projektierern ermöglicht, eine freiwillige Zahlung – von 0,2 Cent pro kWh – an die jeweilige Standort-Kommune etwa eines neuen Windrads zu leisten. 2023 wurde diese Gemeinde-Beteiligung zudem zur „Soll“-Vorschrift verschärft. Freiwillig ist diese Regelung aber weiterhin deshalb, weil bundesrechtlich eine verpflichtende Beteiligungsregelung nicht zulässig wäre. Sowohl mit Blick auf diese – für die Akzeptanzerhöhung teils als unzureichend erachtete – Freiwilligkeit, aber auch wegen weitergehender Ideen zu den Beteiligungsformen von Bürgern und Gemeinden setzen immer mehr Bundesländer auf eigene, über die Bundesregelung im EEG hinausgehende Vorgaben – und zwar teils auf einem Ambitionsniveau, das in den betroffenen Branchen für Kritik sorgt.
„Aus unserer Sicht ist es so, dass der Wunsch nach einer flächendeckenden Beteiligung an Windkraftprojekten heute schon gut umgesetzt wird“, wendet sich etwa Ruth Brand-Schock, Fachgebietsleiterin Erneuerbare Energien beim BDEW, gegen zu weitgehende und womöglich komplexe Neuregelungen. Allerdings existieren neben der Bundesregelung nun bereits in fünf Bundesländern eigene Beteiligungsgesetze bzw. sind solche in Planung, mit denen auch zusätzliche Beteiligungsformen geschaffen werden. Bereits in Kraft sind Bürgerbeteiligungsgesetze in den Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Geplant sind bzw. teils kurz vor dem Abschluss stehen Regelungen in Niedersachsen, NRW und in Thüringen. Bayern plant laut dortigem Koalitionsvertrag neue Vorgaben, sollte der Bund von seiner Regelungskompetenz keinen Gebrauch machen. Bei allem Verständnis dafür, dass politische Akteure stärker an der Akzeptanz-Schraube drehen wollen, könnten solche Partikularvorschriften „aber den Nachteil haben, dass ein gewisser Flickenteppich entsteht“ – von Regelungen, die teils nicht mehr vergleichbar seien, so Brand-Shock. „Und das bringt etwas mit sich, was wir eigentlich nicht wollen: Dass es eine gewisse Verzerrung geben kann bei den Ausschreibungsergebnissen, verursacht durch die Höhe dessen, was jeweils abgegeben werden muss nach der Landesregelung – und auch dadurch, dass die Instrumente teils komplizierter sind als andernorts“, so die BDEW-Expertin. Insgesamt befürchte man beim Verband, „dass durch diese divergierenden Regelungen der Trend, jetzt endlich wieder zu schnelleren Genehmigungsprozessen und höheren Ausbauzahlen zu kommen, konterkariert wird, indem Gesetze implementiert werden, die im Planungsprozess wieder verlangsamend wirken könnten.“ In der Folge könnten auch „wesentliche Standortnachteile für die Industrie“ entstehen.
Auch das Bundeswirtschaftsministerium hatte in der Vergangenheit untersucht, ob es möglich sei, die bestehende Soll-Vorschrift im EEG in eine verpflichtende Regelung umzuwandeln. Unter anderem eine Studie der Universität Augsburg bestätigte allerdings die Einschätzung, dass dies wohl finanzverfassungsrechtlich nicht zulässig wäre. Dennoch würde der BDEW, soweit dies doch gangbar sein sollte, eine Regelung auf Bundesebene bevorzugen; sofern auf Länderebene geregelt werde, so sei „umso wichtiger, dass das gut koordiniert und gut auf einander abgestimmt“ geschieht, so Brand-Schock.
Inhaltlich schlägt der BDEW für künftige Regelungen zur Wahrung größtmöglicher Flexibilität unter anderem „einen Positivkatalog von Maßnahmen vor – am besten nicht abschließend, so dass auch abweichende Vereinbarungen möglich“ seien, wie Brand-Schock es formuliert. Die Maßnahmen sollten zudem „partizipativ, risikoarm und unbürokratisch sein, damit die Bürger auch wirklich teilhaben“ könnten. Die BDEW-Expertin weist zudem darauf hin, dass Direktzahlungen nach Verbands-Einschätzung von der Streuwirkung besser geeignet“ seien „als das Angebot etwa einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung“. Die künftigen Regelungen müssten überdies aus BDEW-Sicht vergleichbar sein in der Höhe des zu gewährenden finanziellen Wertes. „Wir denken an 2.500 Euro pro MW und Jahr als Geldwert, der transferiert werden soll“, so Ruth Brand-Schock. Außerdem sei es wünschenswert, dass der Kreis der zu Beteiligenden einheitlich festgelegt sei, „2.500 Meter um den Turmfuß wären da beispielsweise eine gute Regelung“. In der Branche wurde zuletzt gegen Vorgaben zur gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen zudem eingewendet, dies führe zu hohen bürokratischen Hürden – etwa mit Blick auf die Ermittlung des Anteils-Kaufpreises durch Wirtschaftsprüfer, womöglich gefolgt von Gegenprüfungen der Behörde bzw. einer Bewertung durch die Finanzaufsicht. In der Folge drohten Klagerisiken und Projektverteuerungen.
Speziell kritisch beäugt wird von der Branche die geplante Regelung in Nordrhein-Westfalen, die aktuell in den finalen Ausschussabstimmungen steckt und wohl in Kürze in Kraft treten wird. In einem recht komplexen dreistufigen Modell sieht das Konstrukt vor, dass Vorhabenträger und Gemeinden im ersten Schritt zunächst im Rahmen der Vorgaben eines „Positivkatalogs“ frei über die Beteiligungs-Modalitäten verhandeln dürfen. Der Katalog erlaubt etwa eine direkte Unternehmensbeteiligung an den Wind- oder PV-Projekten, ein Nachrangdarlehen, Sparbriefe, Direktzahlung oder verbilligte Stromtarife als lokalen Anreiz. Werden sich Gemeinde und Vorhabenträger aber nicht einig, greift indes eine zweite Stufe. Diese so genannte „Ersatzbeteiligung“ sieht zum einen jene verpflichtende Zahlung von 0,2 Cent je kWh an die Gemeinde, wie aus § 6 EEG bekannt, vor – zuzüglich aber eines Nachrangdarlehns von mindestens 20 Prozent der Investitionssumme. Sofern auch hier keine Einigung zustande kommt, greift laut dem NRW-Konzept die dritte Stufe der so genannten „Ausgleichsabgabe“. Diese Abgabe ist im Vergleich zu anderen Länder-Regelungen deutlich höher angesetzt und beläuft sich auf 0,8 Cent pro kWh, die direkt an die Gemeinde zu zahlen sind, also das Vierfache dessen, was das EEG vorsieht. Kritik an der so hoch angesetzten Ausgleichsabgabe ließe sich insofern konstruieren und ist im Gesetzgebungsprozess aus Branchenkreisen zu hören, als theoretisch die Gefahr besteht, dass sich die Gemeinde bei Stufe eins und zwei bewusst sperren könnte, um in den Genuss der hohen Ausgleichsabgabe zu gelangen.
Auch BDEW-Vertreterin Brand-Schock hält es – generell für künftige Regelungen in den Ländern – für wichtig, dass die Auswahl der Beteiligungsart letztlich beim Vorhabenträger liege, um nicht ein „Verhinderungsinstrument“ neu zu schaffen bzw. erneut in lange Abstimmungsprozesse zu kommen – „das heißt, es darf nicht so kommen, dass die Gemeinde, wenn sie das Angebot nicht in Anspruch nimmt, die Möglichkeit hat, das Projekt zu blockieren“, so Brand-Schock. Zudem müsse, ist aus der Branche zu hören, es für die Erfüllung der Pflicht ausreichen, Anwohnern ein Angebot aktiv zu unterbreiten, ohne dass es von den Betroffenen zwingend auch angenommen werden muss.