Axpo: Preiszonen-Splitting wäre kein guter Schritt für Europa

Johannes Pretel. Bild: Axpo

Es sei kein Selbstläufer, allen Wünschen und Ansprüchen bei Grünstromlieferungen an Industrie und Gewerbe gerecht zu werden, sagt Johannes Pretel und sieht auf Kundenseite steigendes Interesse an grünen PPAs. Im Gespräch mit dem EID bewertet der Geschäftsführer von Axpo Deutschland die Umbrüche auf dem deutschen Strommarkt.

EID: Herr Pretel, wie beurteilen Sie aus Sicht eines Schweizer Unternehmens, die Umbrüche auf dem deutschen Energiemarkt, die bereits eingeleitet sind und sukzessive kommen werden?

Pretel: Auf diese Frage gibt es zwei Antworten. Die erste: Deutschland ist nach wie vor der wichtigste Hedgingmarkt für Kraftwerke in Europa – und zwar der, mit der größten Liquidität. Auch wir als Axpo hedgen unsere eigenen Kraftwerke teilweise in Deutschland. Das hierzulande diskutierte Preiszonen-Splitting bewerten wir als keinen guten Schritt für Europa. Die Liquidität auf dem deutschen Energiemarkt sollte in Gänze erhalten bleiben. Vielleicht lässt sich dieses Splitting noch durch regulatorische Maßnahmen verhindern, was ich sehr hoffe.

EID: Und die zweite Antwort auf die Umbruchsituation?

Pretel: Für uns ist es eine positive Entwicklung, dass sich deutsche Industrieunternehmen und potenzielle Betreiber regenerativer Kraftwerke mit reichlich Verspätung der Power Purchase Agreements als Finanzierungs- und Absatzinstrument für die erneuerbaren Energien geöffnet haben. Als europaweit tätiges Unternehmen sind wir seit gut anderthalb Jahrzehnten mit PPAs unterwegs. Wir als Axpo Deutschland sind von unserer Zentrale wiederholt gefragt worden, wann es auch in Deutschland mit den grünen PPAs losgehen würde. Unsere Standardantwort war stets der Verweis auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Für die Förderung grüner Energien reichte in Deutschland bisher das EEG aus. Das EEG ist stets ein Konkurrent des freien Marktes gewesen. Die bisherige Zurückhaltung in Sachen PPAs bricht auf, was mich sehr freut. Wir werden in diesem Sektor noch reichlich Bewegung erleben, da auch die Offenheit von Industriebetrieben deutlich zunimmt.

EID: Apropos Industrie: Sehen Sie bei dieser Klientel einen wachsenden Bedarf nach richtigem Grünstrom abseits von allen möglichen Herkunftsnachweis-Angeboten?

Pretel: Ja und nein. Wir müssen weiterhin viel Aufklärungsarbeit leisten, um für unsere jeweiligen Kunden das richtige Grünstromprodukt zu finden. Die Ansprüche an Grünstrom unterscheiden sich schon erheblich zwischen einem großen Konzern mit einem Verbrauch im Terawattstundenbereich und einem Bäckerbetrieb mit nur wenigen Filialen. Bei all den Gesprächen, die wir führen, geht es immer wieder um den Preis, die Qualität des Ökostroms und die Sicherheit der Stromlieferungen. Um es kurz auf den Punkt zu bringen: Der Bedarf nach Grünstrom aus Industrie und Gewerbe steigt, allen Wünschen und Ansprüchen dabei gerecht zu werden ist kein Selbstläufer.

EID: Sie erwähnten, dass Axpo bereits seit über 15 Jahren im PPA-Markt tätig ist. Was bringt Axpo an Know-how für den noch jungen grünen PPA-Markt in Deutschland mit?

Pretel: In unseren Kundengesprächen weisen wir immer wieder gezielt darauf, dass sich ein Unternehmen mit einem langfristigen PPA eine gewisse Preisstabilität erkauft, wie gesagt, keine komplette, sondern eine gewisse Preisstabilität. Dank unserer Erfahrungen sind wir durchaus in der Lage, dass die PPA-Kunden nicht durch Preissprünge unangenehm überrascht werden und die erhoffte Preissicherheit verloren geht. Wir wissen um die Fallstricke auf den Terminmärkten. Genau das ist das Pfund, mit dem wir neben dem operativen Handling bei den Verhandlungen um einen PPA-Abschluss punkten können.

EID: Auch Sie, Herr Pretel, haben keine Glaskugel. Was sagt Ihr Bauchgefühl zur Entwicklung des deutschen PPA-Marktes in den kommenden zwei, drei Jahren?

Pretel: Die Entwicklung ist in großem Maße davon abhängig, wie sich das EEG als Gegenspieler von PPAs weiterentwickelt. Dennoch gehe ich davon, dass sich der eingeschlagene Trend zu einer PPA-Offenheit in der Industrie und in der Energiewirtschaft fortsetzen wird. Wer allerdings glaubt, künftig den industriellen Grünstrombedarf allein durch PPA-Abschlüsse aus deutschen Produktionsanlagen decken zu können, ist auf dem Holzweg. Dafür gibt es in Deutschland nach wie vor zu wenige Projekte. Deshalb brauchen wir eine Lösung für paneuropäische PPAs. PPA-Projekte, die im Ausland errichtet werden, müssen ebenso wie deren Herkunftsnachweise in Deutschland anerkannt werden. Bis dafür die entsprechenden Vereinbarungen auf EU-Ebene getroffen werden, wird sicherlich noch einige Zeit ins Land vergehen. Industriekunden, die nun ihren Strombedarf weitestgehend grün decken wollen, raten wir zu einem doppelten Beschaffungsweg: Sie sollen mit einem PPA aus einem deutschen Projekt anfangen, den restlichen Strombedarf für eine Zeitlang über Zertifikate decken.

EID: Stichwort: zu wenige Grünstromprojekte. Axpo hat sich bei Global Tech 1 an einem der ersten deutschen Offshore-Windparks beteiligt. Plant Axpo weitere Beteiligungen auf See oder eigene grüne Kraftwerke in Deutschland?

Pretel: Axpo konzentriert sich gezielt auf die Entwicklung, Bau und Betrieb von Onshore-Windparks. Bis 2030 wollen wir insgesamt 3.000 Megawatt an Kapazitäten in allen windreichen Regionen Europas zubauen. In Deutschland sind wir dafür mit unserem Tochterunternehmen Volkswind aktiv. 
Im Solarbereich wollen wir bis 2030 europaweit rund 10.000 MW an Solarkapazitäten zubauen. Axpo ist auch in Deutschland auf der Suche nach Grundstücken für solare Freiflächenanlagen oder nach großen Parkflächen für Car-Port-Lösungen. Es wäre schön, wenn wir einige dieser Vorhaben mit einem PPA finanzieren könnten. Das ist der Plan.

EID: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Pretel!

Zur Person

Johannes Pretel ist seit Oktober 2022 Geschäftsführer von Axpo Deutschland. Seine Berufslaufbahn in der Energiewirtschaft startete der studierte Betriebswirt als Originator bei Alpiq in den Jahren 2007-2010. Danach erfolgte der Wechsel zur Axpo, für die er seitdem in verschiedenen Funktionen tätig gewesen ist.

Artikel von Ralf Köpke
Artikel von Ralf Köpke