Mit Blick auf den Kohleausstieg arbeitet das Bundeswirtschaftsministerium an der Umsetzung einer Kraftwerksstrategie für steuerbare Kraftwerke, die ihre Leistung erbringen, wenn Sonne und Wind wenig Energie liefern. Noch in der ersten Jahreshälfte soll hier der Rahmen stehen. Ein Teil der Energiewirtschaft drängt darauf, wasserstofffähige Gaskraftwerke zu errichten, doch der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) sieht darin die Gefahr von Lock-in-Effekten und empfiehlt, die Flexibilitätsoptionen im Energiesystem ganzheitlich zu prüfen. „Wir sehen viel heimisches Potenzial für die erneuerbaren Energien, weil diese mittlerweile systemsetzend sind, weil sie Leistung übernehmen können, die man ihnen vor einigen Jahren nicht zugetraut hat und vielleicht auch heute noch nicht zutraut“, sagte BEE-Präsidentin Simone Peter bei der Vorstellung eines Thesenpapiers zur Kraftwerksstrategie.
Vor der Planung neuer Kraftwerke sei es wichtig, Eckpunkte und den Rahmen eines neuen Strommarktdesigns zu definieren, um ein Lock-in-Risiko oder Fehlanreize zu vermeiden. „Wir dürfen keine Gaskraftwerk-Überkapazitäten schaffen, sondern müssen eine ‚No-Regret‘-Strategie entwickeln. Neue Kraftwerke braucht es unseres Erachtens nur bei einem Mangel an Erneuerbaren, von dem wir aber nicht ausgehen“, so Peter. Der Bedarf an neuen H2-Gaskraftwerken könne vielmehr durch eine optimierte Nutzung vorhandener und die Schaffung neuer erneuerbaren Flexibilitäten „drastisch reduziert werden, das heißt, wir können neue H2-Gaskraftwerke von 9,7 GW auf 0,1 GW im Zielkorridor 2050 herunterfahren“.
Eine nur auf H2 abgestellte Strategie beinhalte massive Unsicherheiten und sei schlimmstenfalls als ‚Stranded Assets‘ mit hohen Kosten verbunden. „Ein Locking-in birgt auch die Gefahr, hohe Stromkosten zu produzieren bzw. die Klimaschutzziele zu verfehlen, weil fossiles Erdgas weiter genutzt wird, wenn nicht ausreichend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht.“
Statt ausschließlich auf zusätzliche wasserstofffähige, aber mit Erdgas befeuerte Gaskraftwerke zu setzen, empfiehlt der Verband etwa, bereits vorhandene Bioenergie-KWK-Anlagen bzw. die Produktion biogener Brennstoffe sowie noch ungenutzte, nachhaltige Biomassepotenziale umzusetzen. Bei Fortführung der Umrüstung auf eine flexible Fahrweise könne der bereits bestehende Biogasanlagenpark eine gesicherte Leistung von 17 bis 27 GW liefern.
Zudem sollten Peter zufolge weitere dezentrale Flexibilitäten im Stromsystem gehoben werden. Da Batterien und Speicher drastisch zulegten, könnten sie helfen, die Stromnebenkosten abzusenken und, als bivalentes System ausgelegt, auch Lastspitzen zu decken und Stromnetze zu entlasten. Ein weiteres Element sei, die Wasserkraft und Geothermie steuerbar zu machen und netzstabilisierend einzusetzen.
„Wir müssen aber auch die Betriebswirtschaftlichkeit der erneuerbaren Energien gewährleisten“, betonte Peter. Angesichts des massiven Ausbaus von Wind und PV häuften sich zukünftig die Zeiten, in denen das Stromangebot die Nachfrage übersteige. Im Resultat also Strompreise, die immer öfter gegen null oder unter null sinken, was die betriebswirtschaftliche Grundlage der Anlagenbetreiber in Gefahr bringen und den Ausbau der Erneuerbaren bremsen könne, so die BEE-Chefin. Letztlich müsse es darum gehen, „eine intelligente Fahrweise von aller Erneuerbaren-Energien-Anlagen in höherpreisigen Zeitfenstern anzureizen“. Der BEE schlägt hierzu die Umstellung der aktuellen Zeitförderung auf eine Mengenförderung vor, um negative Strompreise zu verhindert. Das würde den Erneuerbaren ihre Betriebswirtschaftlichkeit sichern und die finanziellen Anreize zum Ausbau beibehalten.