Noch ist der Handlungsrahmen für den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur trotz immensen Zeitdrucks nicht konkret abgesteckt und noch werden Diskussionen um den Aufbau einer Infrastruktur kontrovers geführt. Wie das Netz anfänglich aussehen könnte, war Thema einer Diskussionsveranstaltung im Rahmen des "Handelsblatt Wasserstoffgipfels" in Salzgitter.
Die Ferngasnetzbetreiber haben bereits 2020 eine Wasserstoffvariante im Netzentwicklungsplan Gas vorgelegt. Diese sei zwar „eine gute Grundlage, um darauf aufzubauen, aber es ist ein Plan, der aus vielen Mosaiksteinchen zusammengebastelt ist“, sagte Eva Haupt, Referatsleiterin bei der Bundesnetzagentur (BNetzA). Ein planerisches Zusammenspiel von interessierten Unternehmen, Fern- und Verteilnetzbetreibern biete allerdings keine Garantie für ein funktionierendes und zusammenhängendes Netz. Man sei aber nun an dem Punkt, sich genau anzuschauen, was man anfänglich als Basisnetz benötige. „Die Frage ist, wie groß darf und muss es sein“, so Haupt weiter. Eine in die Diskussion eingebrachte mögliche Netzlänge beim Start von 1.700 Kilometern wollte sie nicht kommentieren.
Wichtig sei auch, auf wieviel umgewidmete Gasleitungen zugegriffen werden solle, denn durch den Importwegfall des Erdgases aus Russland sei das gesamte Gasnetz nun anders zu gewichten. Für 2027 lasse sich recht zuverlässig bewerten, wieviel Umwidmung möglich sei, für 2032 sei das noch nicht mit Sicherheit möglich. „Das ist auch der Punkt, warum wir kleiner anfangen sollten, auch zur Begrenzung der Kosten. Und es ist auch nach wie vor nicht ganz sicher, ob wir ein sehr großes Wasserstoffnetz brauchen werden.“ Haupt unterstrich, dass beim Wasserstoffnetz aber „jedes Bundesland was abbekommt“.
Für Ulrich Benterbusch, frisch amtierender Geschäftsführer des Fernleitungsnetzbetreibers Gascade, wären die ins Spiel gebrachten 1.700 Kilometer Startnetz viel zu minimalistisch. „Da braucht man erst gar nicht anfangen“, bemerkt er. Die Politik müsse jetzt zusammen mit den Fernleitungsbetreibern die Entscheidungen für die Entwicklung eines ausreichend großen Netzes treffen, damit auch die Industrie wisse, was kommen werde. „Und das auf der Zeitachse genau.“
Insbesondere die großen Industriecluster wie etwa Salzgitter, Burghausen, das Ruhrgebiet müssten ausreichend über das Fernleitungsnetz angebunden sein. Dasselbe gelte ebenfalls für das Verteilnetz. „Wir brauchen große Achsen, brauchen große Rohre, und die müssen von Anfang an so in ihrer Kapazität ausgelegt werden, dass es langfristig reicht.“ Entscheidend aber sei, dass es nun ganz schnell gehe. „Der Druck ist da, und die Netzbetreiber sind in der Lage, bis zum Sommer der Bundesnetzagentur Vorschläge über ein substanzielles Startnetz zu machen.“
Seit 3 Jahren werde nunmehr über das Startnetz gesprochen und wie dieses reguliert werden solle, unterstrich Carsten Rolle, Geschäftsführer Weltenergierat Deutschland. Tempo, so auch er, sei das A und O. „Wir brauchen Planungssicherheit, damit Unternehmen Entscheidungen treffen können, ob sie ihre Prozesse elektrifizieren sollen oder auf die Wasserstoff-Route gehen können.“ Rolle geht davon aus, dass nun aber in der Politik verstanden worden sei, „dass ohne diese Infrastruktursicherheit kein Unternehmen irgendeine Dekarbonisierungsoption hat, zumindest nicht im großen Stil“.
Wunder Punkt ist die Frage der Bezahlung. Während Benterbusch dafür plädiert, eine gemeinsame Finanzierungsbasis bei den Entgelten von Erdgas und Wasserstoff zu schaffen, kontert die BNetzA-Referatsleiterin hier massiv. „Die Kunden im Haushaltsbereich sind nicht diejenigen, die den Wasserstoff-Hochlauf zahlen sollten. Wir sprechen von einem Netz, das dazu aufgebaut werden soll, vor allem die großen Industriebetriebe zu versorgen“, so Haupt. Was Benterbusch so nicht stehen lassen will. „In den letzten Wochen haben wir gesehen, dass Wasserstoff durchaus für den Wärmemarkt in Bewegung kommen könnte. Vor diesem Hintergrund könnte es in den nächsten Jahren also durchaus noch einen anderen Drive bekommen.“