Auf dem BDI-Klimakongress hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Erhaltung der Investitionsfähigkeit der deutschen Wirtschaft als eine der größten Aufgaben in der derzeitigen Energiekrise bezeichnet.
„Das bereitet Sorge und geht an die Kapazitätsfähigkeit der politischen Ordnung ran“, kommentierte er beim 5. Klimakongress des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin. Durch den Wegfall der Energiemengen aus Russland, die bis Kriegsbeginn als sicher eingeplant gewesen seien, „verliert die deutsche Volkswirtschaft durch den Ankauf von Energie aus anderen Quellen in diesem Jahr wohl knapp 60 Milliarden Euro“. Im kommenden Jahr sei sogar mit einem Verlust von 100 Milliarden Euro zu rechnen. Das entspräche „über die Jahre gerechnet“ etwa 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. „Dieses Geld fehlt überall in der deutschen Volkswirtschaft. So ist die makro-ökonomische Lage.“
Habeck verwies darauf, dass neben der weggebrochenen Gasversorgung aus Russland, das vor dem Krieg noch zu 55 Prozent die deutsche Nachfrage bedient habe, auch der Ausfall vieler französischer Atommeiler die Energielage beeinträchtige. Rund zwei Drittel der dortigen Nuklearflotte seien derzeit ausgefallen, „Deshalb laufen die Gaskraftwerke in Deutschland und in anderen Ländern Europas verstärkt, um diesen Ausfall zu kompensieren.“
Sei im letzten Stresstest bei der Stromversorgung hierzulande noch davon ausgegangen worden, dass bis Weihnachten durch französische AKW wieder eine Leistung von 50 GW zustande komme, sei man heute pessimistischer. Die jüngste Bewertung gehe von lediglich 45 GW aus, und das wohl als „best case-Szenario“.
All das habe die Preise buchstäblich explodieren lassen. „Meine Sorge ist, dass die Unternehmen jetzt zurückhaltender werden und nicht mehr investieren.“ Das aber wäre genau der falsche Ansatz. „Die Welt um uns herum transformiert sich ja ebenfalls – ohne Investitionen in klimaneutrale Technologien würde sich die Wettbewerbssituation deutlich verschlechtern.“ Wer nicht mitmache, der werde industriepolitisch abgehängt. „Wir brauchen unternehmerische Modelle für den Klimaschutz der Zukunft, wir schieben es politisch an, subventionieren, solange es notwendig ist, aber dann muss es marktwirtschaftlich werden.“
Habeck zufolge soll die Hilfe für Unternehmen erweitert werden und sich nicht allein auf diejenigen beziehen, die in internationaler Konkurrenz stehen. „Wir müssen jetzt die ökonomische Substanz unseres Landes verteidigen, auch mit fiskalpolitischen Maßnahmen.“ Das Investieren in die Zukunft dürfe nicht erlahmen, denn schließlich sei nichts gewonnen, auf einen ausgeglichenen Haushalt zu schauen, dafür aber eine Insolvenzwelle anrollen zu sehen. Die Substanz von prinzipiell kerngesunden Unternehmen müsse erhalten bleiben, dass sie ihre Zukunftsinvestitionen tätigen und auch hier weiter produzieren könnten.
BDI-Präsident Siegfried Russwurm sieht viele Unternehmen „im Ausnahmezustand“ Jüngste Befragungen unter Mittelständlern hätten ergeben, dass rund ein Drittel sich in einer existentiellen Krise sehe. 40 Prozent würden geplante Investitionen zur Transformation nicht durchführen können, und jedes fünfte befragte Unternehmen denke über eine Verlagerung der Produktion in Länder mit niedrigeren Industriestrompreisen nach.
„Wir kommen so in das Risiko einer schleichenden Deindustrialisierung hinein“, so der BDI-Chef. Die Energiepreise müssten runter, insbesondere der Strompreis als wesentlicher Hebel einer Dekarbonisierung, und das Energieangebot erhöht werden. „Alle Anlagen müssen wir laufenlassen und auch emotionslos bei den AKW diskutieren.“ Versorgungssicherheit sei die oberste Priorität.
Auch wenn es in den kommenden Wochen um nichts weniger gehe als darum, das Überleben der deutschen und europäischen Industrie zu sichern, dürfe in der Klimapolitik jetzt dennoch nicht die „Pausentaste“ gedrückt werden, so Russwurm. „Die Dekarbonisierung muss zur Erneuerung des Industriestandorts Deutschland beitragen.“