"Der Hammer kommt erst noch", davon ist Hagen Lessing, CEO des auf Energiekostenabrechnungen spezialisierten Dienstleisters ista, mit Blick auf die Höhe der Heizkostenabrechnungen für 2023 überzeugt und stützt sich dabei auf die in seinem Unternehmen anfallenden Daten. Die Energiekrise spiele nun bei vielen Bürgern anscheinend nicht mehr eine vorrangige Rolle, denn das Heizverhalten habe sich wieder verändert. Hinter dieser Dynamik stehe auch ein strukturelles Problem: Die Heizkostenabrechnungen für das laufende Jahr würden erst in einigen Monaten gestellt, sodass die Transparenz damit fehle, erklärte er auf einer Veranstaltung in Berlin, in der das Essener Unternehmen ein Tool vorstellte, mit dem mehr Licht ins Verbrauchs-Dunkel gebracht werden soll.
In der aktuellen Heizsaison sind die privaten Haushalte in Mehrfamilienhäusern nach Angaben des ista-Chefs in den Monaten September bis November witterungsbereinigt 12 Prozent weniger sparsam gewesen als im Vorjahreszeitraum. Damit habe der Wärmeverbrauch nun wieder mindestens das Vor-Krisen-Niveau erreicht. Die Verbraucher würden sich offenbar nun in einer vermeintlichen Sicherheit von gesunkenen Energiepreisen wiegen. Tatsächlich sei das Preisniveau insgesamt in diesem Winter aber deutlich höher als im Vorjahr.
Für die laufende Heizperiode rechnet das Metering-Unternehmen mit einem erheblichen Anstieg der Brennstoffkosten - etwa für Erdgas um rund 61 Prozent und für Heizöl um 34 Prozent gegenüber den durchschnittlichen Vorjahreskosten. Für eine von zwei Personen bewohnte 70 Quadratmeter große Durchschnittswohnung seien mit Mehrkosten von rund 460 Euro zu rechnen, für eine ölbeheizte Wohnung von rund 380 Euro. „Hier lauert eine richtig große Kostenfalle für die Mieter.“
Lessing betonte, dass diese Zahlen sich auf die 80 Prozent gedeckelten Energiekosten beziehen. "Was der Preis für die weiteren 20 Prozent sein wird, das wissen wir heute noch nicht", denn das sei von Versorger zu Versorger unterschiedlich. "Aus den 460 Euro können auch 560 oder 660 Euro werden", mahnte er. Gut sehe es hingegen derzeit wohl für die mit Fernwärme versorgten Verbraucher aus, so Lessing weiter. Sie können bei der unterlegten Durchschnittswohnung mit einer Gutschrift von rund 180 Euro rechnen.
Mit mehr Transparenz im Heizverhalten will ista nun die Verbraucher befähigen, stärker ihr Verhalten in den Blick zu nehmen. „Heizen ist für die meisten Mieter in Deutschland eine Blackbox, denn in der Regel erhalten sie ihre Verbrauchsübersicht erst nach dem Ende der Heizperiode“, so Lessing weiter. Für ein Reagieren sei das allemal viel zu spät.
Ista habe nun eine digitale Anwendung geschaffen, um hier mehr Transparenz hineinzubringen. "Heiz-O-Meter" nennt das Unternehmen das Feature, das laufend aktuelle Daten von rund 350.000 Haushalten auswertet und daraus jeweils zur Monatsmitte den tatsächlichen Verbrauch von Heizenergie des Vormonats in ganz Deutschland, in den einzelnen Bundesländern und in den 20 größten Städten ermittelt. Die Daten werden anonymisiert, gewichtet und mit denen des Deutschen Wetterdienstes abgeglichen. Im Ergebnis würden damit nach Energieträgern aufgeschlüsselte aktuelle, repräsentative, witterungsbereinigte und vergleichbare Werte geliefert. Über die Internetadresse www.heiz-o.meter,de seien diese für jeden kostenlos einzusehen, so das Unternehmen. Bürger könnten damit besser einordnen, wie weit deren Energieverbrauch vom allgemeinen abweiche.
„Die Zeit dauerhaft preiswerter Energie ist erst einmal vorbei“, unterstrich Lessing auch mit Blick auf die endende Energiepreisbremse. "Wir tun gut daran, die Realität der im Vergleich zu den Vor-Krisen-Jahren höheren Energiekosten zu akzeptieren." Ein informierter Umgang mit Energie werde immer wichtiger.
"Mangelnde Daten führen dazu, dass wir im Blindflug unterwegs sind", kommentierte der Digitalexperte und Blogger Sascha Lobo. "Das geht in der Energiewirtschaft bis in die Verteilnetze hinein, wo Versorger mit Schätzwerten arbeiten müssen, weil vieles nicht digitalisiert ist." Er hofft auf mehr Dateninitiativen, um damit Informationen zu liefern, auch um so eventuelle Verhaltensänderungen zu bewirken. Eine solide Datengrundlage, je "echtzeitiger" desto besser, sei auch und gerade im Wärmesektor mit seinem 30-prozentigen Anteil an den CO2-Gesamtemissionen von essentieller Bedeutung.
Doch da macht zu oft wohl der Datenschutz noch einen Strich durch die Rechnung. "Wir könnten unseren Kunden Tageswerte zur Verfügung stellen, wir dürfen es aber nicht", unterstrich Lessing. "In Deutschland als einzigem Land in Europa müssen wir aktiv die Tagesdaten abstellen, weil der Datenschutz das nicht erlaubt." Nur Monatsdaten seien gestattet, obwohl die Infrastruktur für eine wesentlich höher auflösende Analyse vorhanden sei. "Es kostet null mehr, sie anzuschalten."