Die nordrhein-westfälische Wirtschafts-, Energie- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur von den Grünen rechnet nicht damit, dass die verbliebenen drei deutschen Kernkraftwerke über den von Bundeskanzler Olaf Scholz bestimmten Termin 15. April 2023 hinaus am Netz bleiben. Neubaur nannte die Entscheidung des Kanzlers vor Journalisten der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf „aus energiepolitischer Sicht ein vernünftiges Ergebnis.“ Gleichwohl rechnet sie weiter mit heftigen Debatten um die Nutzung der Kernenergie – besonders in der entscheidenden Sitzung des Bundestags. Es wäre aber der falsche Weg, „das Atomgeschäft nicht zu beschließen“, sagte sie. Neubaur, die nach Bildung der ersten schwarz-grünen NRW-Koalition im Juni im Amt ist, räumte indirekt ein, dass sich der Blick auf die Dinge verändert, wenn man politische Verantwortung hat.
In NRW wird die Stromversorgung indessen als kritisch eingeschätzt. Noch herrsche Krieg in der Ukraine und noch gebe es erhebliche Auswirkungen auf die Energieversorgung und die Preise, hatte Neubaur zuvor im Wirtschaftsausschuss des Landtags erklärt. Vor den Wirtschaftsjournalisten bezeichnete die Ministerin es als eine ihrer wichtigsten Aufgaben, den Wirtschaftsstandort NRW zu sichern. „Die schiere existenzielle Not mancher Unternehmen erschüttert mich“, sagte sie. Ein großes Ziel sei es, das Investitionsklima im Land zu verbessern, damit die Transformation zur Klimaneutralität bewerkstelligt werden könne.
Neubaur bestätigte, dass Nordrhein-Westfalen die Umstellung des Stahlkonzerns thyssenkrupp Steel auf Wasserstoff zur Direktreduktion mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag unterstütze. Hierzu gebe es eine Absichtserklärung mit dem Konzern. Die von Kreisen der IG Metall geforderte Beteiligung des Landes an dem Unternehmen lehnte Neubaur indessen ab. Die Ministerin würde es aber begrüßen, wenn die Konkurrenten thyssenkrupp Steel und Salzgitter gemeinsam überlegen würden, wie der Umbau der Produktion zu grünem Stahl erfolgreich bewerkstelligt werden und die Konzerne ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit bewahren könnten. Angesichts der großen Herausforderungen sei es für die deutsche Stahlindustrie sinnvoll, „sich auf einen gemeinsamen Weg zu verständigen", sagte sie.
Nach der Übernahme der Aktien des Uniper-Konzerns durch den Bund hält Neubaur nichts von einem Verkauf lukrativer Töchter oder Sparten des Konzerns. Das bringe niemanden weiter, sagte sie. Auch sprach sie sich gegen die von den bayerischen Grünen geforderte Rückführung der in den 1990er Jahren privatisierten Wasserkraftwerke in öffentliche Hand aus. Viele dieser Wasserkraftwerke werden derzeit von Uniper betrieben. Statt immer neuer Debatten anzuzetteln, sei es sinnvoll, Ruhe ins Land zu bringen, so Neubaur.
Die Ministerin weiß, dass der "Dschungel an Gesetzen und Verordnungen" Bürger und Unternehmen von Investitionen in klimafreundliche Energieanlagen abhält. Es fehle derzeit oftmals an Rechtssicherheit für eine entsprechende Planung. Es solle aber eine Task Force bei NRW-Kommunen geben, die Bürger unterstützt, die bei der Genehmigung von Windkraft- oder Solaranlagen nicht weiterkommen. Es sei wichtig, damit die Projekte in Angriff genommen würden. Wo es sinnvoll und möglich sei, solle in Einzelfällen etwa die Abstandsregelung von Windkrafträdern aufgehoben werden können.