Rund 35 Prozent des Energiebedarfs werden hierzulande mit Mineralöl gedeckt. Hohe Energiedichte sowie leichte Transportier- und langfristige Speicherbarkeit sind dessen Vorteile, wären da nicht die CO2-Nachteile bei der Verbrennung. Dass diese Vorteile von Flüssigkraftstoffen in einem zukünftig klimaneutralen Energiesystem dennoch genutzt werden könnten, das nimmt eine von Uniti Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen in Auftrag gegebene Studie in den Blick, die jetzt in Berlin vorgestellt wurde. Erstellt hat die Analyse Michael Bräuninger, Professor an der Universität Hamburg und Partner des Wirtschaftsforschungsinstituts Economic Trends Research (ETR).
Bräuninger zufolge zeichnen sich auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045 erhebliche Versorgungsrisiken ab, wenn im Verkehrs- und Wärmesektor auf eine Vollelektrifizierung gesetzt werde, denn in der aktuellen Debatte werde oft vernachlässigt, dass Strom lediglich einen Anteil von 20 Prozent am heutigen Endenergieverbrauch habe, davon nur 44 Prozent aus Erneuerbaren. Strom aus PV und Windkraft liege im Endenergieverbrauch unter 6 Prozent. Selbst bei einem schnellen Ausbau bestehe noch erheblicher zusätzlicher Bedarf.
Eine wesentliche Option zur Defossilisierung und Versorgungssicherheit sieht Bräuninger in der Nutzung von klimaneutral erzeugten E-Fuels. „Bei der Umwandlung von grünem Strom in flüssige Energieträger gibt es zwar Effizienzverluste“, konstatiert er, werde der Strom aber an wind- und sonnenstarken Regionen der Welt gewonnen, sei dieses Manko zu vernachlässigen. Dort produzierte E-Fuels könnten dann über die herkömmlichen Infrastrukturen importiert und hier in allen Sektoren genutzt werden. Das weltweite Potenzial zur Erzeugung erneuerbaren Energien hält Bräuninger für mehr als ausreichend.
„E-Fuels ersetzen Benzin und Diesel nahtlos, sie können aber bereits auch den fossilen Produkten beigemischt werden und damit einen gleitenden Übergang schaffen.“ Sie seien also prädestiniert, das begrenzte Strompotenzial aus erneuerbaren Quellen hierzulande um notwendige Energieimporte aus Drittländern zu ergänzen, zumal sie leicht transportierbar und speicherbar seien.
An die Politik adressierte empfiehlt die Studie als Maßnahmen unter anderem eine technologieoffene Ausgestaltung der Rahmenbedingungen der Energiewende. Alle Technologien zur Defossilisierung sollten den gleichen Rahmen erhalten. Dazu sei es notwendig, auf eine einheitliche CO2-Besteuerung von Kraftstoffen umzustellen sowie eine einheitliche CO2-Bilanzierung über den gesamten Lebenszyklus von Technologien vorzunehmen.
Bräuninger empfiehlt, langfristige Investitionsanreize für die Produktion von Anlagen zur Herstellung von E-Fuels in Deutschland und weltweit zu schaffen und damit auch Wertschöpfungspotenziale zu eröffnen. „Investitionen finden insbesondere dann statt, wenn die Nachfrage da ist. Da die Anwendung von E-Fuels in vielen Sektoren möglich ist, könnte im Zweifelsfall auch eine Quotenregelung eingeführt werden, die festlegt, dass ein bestimmter Absatz letztlich garantiert wird.“
Elmar Kühn, Hauptgeschäftsführer der Uniti, wies darauf hin, dass es weltweit rund 1,4 Milliarden Fahrzeuge im Bestand gebe, die nur mit CO2-freien Flüssigkraftstoffen klimaneutral gestellt werden könnten. „Anders geht es nicht.“ Eine einseitige Fokussierung auf Strom sei generell der falsche Ansatz. Zudem forderte er mehr Ehrlichkeit in der Debatte. Ein Elektroauto werde bilanziell zwar als 100 Prozent klimaneutral definiert, fahre faktisch aber noch gut zur Hälfte mit Strom aus fossilen Quellen.
„Wir benötigen ein Energiesystem, das statt eines 'all-electric'-Ansatzes die Nutzung verschiedener erneuerbar erzeugter Energieträger sowohl aus heimischer Herstellung als auch aus Importen umfasst“, so Kühn.