Ein historisch hohes Preisniveau an den Großhandelsmärkten für Strom und Gas mit hoher Preisvolatilität stellt für die Stadtwerke eine massive Herausforderung in ihren Beschaffungsstrategien dar. Als eines der größten Handelshäuser und Dienstleistungsunternehmen für Stadtwerke hat Trianel bei seinen Kunden eine Online-Umfrage mit Blick auf Markt- und Preisentwicklung sowie Marktzugang, Beschaffung und Risikomanagement durchgeführt, um die aktuelle Lage bei den Energieversorgungsunternehmen zu beleuchten. „Unsere Umfrage ist mit 132 Experten aus 59 Stadtwerken auf sehr hohes Interesse gestoßen“, sagte Paul Jüngst, Leiter Trendscouting bei Trianel. „97 Prozent schätzen ihren Handlungsdruck in der Beschaffung durch die Energiepreisentwicklung als hoch bis sehr hoch ein.“
Etwa die Hälfte der Stadtwerke erwarte bei einer mittelfristigen Betrachtung über die nächsten 3 Jahre hinweg eine Bewegung auf dem aktuellen Preisniveau, 30 Prozent rechneten mit einem weiteren Anstieg. Längerfristig werde von 73 Prozent ein dauerhaft höheren Niveau bei starker Volatilität erwartet. 12 Prozent gingen von einem weiteren Preisanstieg aus. „Entsprechend der bereits sichtbaren und zu erwartenden Preisentwicklung haben schon 83 Prozent der Befragten ihre Strom- und Gastarife angepasst“, so Jüngst.
Herausfordernd für die Stadtwerke sei auch der Marktzugang und die Beschaffungsseite, kommentierte Jan Drößler, Abteilungsleiter Risikomanagement Dienstleistungen beim Aachener Unternehmen. „Preisaufschläge, wenige Handelspartner für Terminprodukte und fehlende Möglichkeiten zur Beschaffung selbst im 3. bis 5. Frontjahr erschweren derzeit die Umsetzung bewährter Beschaffungsstrategien.“
18 Prozent der Befragten hätten im Juni, dem Erhebungsmonat der Studie, keine einzige Terminbeschaffung mehr durchführen können, gut 28 Prozent nur mit erheblichen Verzögerungen, und 65 Prozent hätten keine oder kaum noch Geschäftspartner für die Teilnahme an Ausschreibungen gefunden. 82 Prozent der Stadtwerke gaben weiter an, dass sie mit erheblichen Preisaufschlägen zu tun hätten, die auch im Rahmen des Endkunden-Pricing berücksichtigt werden müssten.
„Die Einschränkungen in den Marktzugängen und in der Terminbeschaffung spiegeln die derzeitige Unsicherheit an den Märkten und machen auch eine Anpassung der Risikomanagement-Strategien nötig“, kommentierte Drößler. Für die Stadtwerke sei klar, dass sie ihren „Instrumentenkasten“ erweitern müssten. Die Anzahl der aktiven Handelspartner habe sich deutlich reduziert. Hätten 2021 noch 82 Prozent der Stadtwerke über bis zu 20 aktive Handelspartner verfügt, würden nun 87 Prozent angeben, dass ihnen nur noch maximal 5 zur Verfügung stünden. „Das heißt für die Stadtwerke, dass sie weniger Möglichkeiten haben, entsprechende Preise zu realisieren, beziehungsweise überhaupt Angebote zu bekommen.“
Eine weitere, wesentliche Stellschraube im Energiekrisenmodus ist auch das Anpassen der Beschaffungsstrategie. 61 Prozent der Stadtwerke, so das Ergebnis der Trianel-Umfrage, würden hier auf eine Ausdifferenzierung setzen. Lediglich 37 Prozent bekannten, in dieser Hinsicht noch nichts verändert zu haben. Manche Stadtwerke reagierten mit verkürzten Bewirtschaftungszeiträumen, andere mit verlängerten, wieder andere mit verkürzten Einkaufsrhythmen (bis hin zur täglichen Beschaffung). Ein klares Bild sei hier aber nicht zu erkennen, so Drößler. „Die Praxis zeigt, dass Stadtwerke unterjährig stärker über Quartals- und Monatsprodukte ihre Beschaffung und damit ihre Risiken optimieren. Das erhöht zwar die Komplexität und die Anforderungen, ist aber ein guter Ansatz.“
Noch Anpassungsbedarf erkennt er bei der aktiven Kreditrisikoüberwachung. „Viele Stadtwerke überwachen das Risiko eines Ausfalls ihrer Lieferanten und Handelspartner.“ Da das Instrumentarium aber aus „eher ruhigen Marktphasen“ stamme, sollte es auf die aktuelle Marktlage mit hohen Kreditrisiken angepasst werden. Zur Steuerung der Marktpreisrisiken nutzen Stadtwerke der Umfrage zufolge zu 95 Prozent die Limitierung von offenen Positionen und Tranchen, ergänzen das aber etwa mit Mengenkorridoren für die Vertriebsmenge (65 Prozent) oder Preislimits für einzelne Produkte. „Das ist gut, denn im Zweifel auf nur ein oder gleichgerichtete Instrumente abzustellen, würde die Realität verkennen“, ist der Risikomanagement-Experte überzeugt.