In der Kommunalen Wärmeplanung schadeten zu starre Festschreibungen, sagt der neue Mainova-Chef Michael Maxelon. Gerungen wird noch um den Umgang mit schrumpfenden Gasnetzen.
Eigentlich als vielversprechende Option im Rahmen der kommunalen Wärmetransformation hochgelobt, hatte im Bereich der Fernwärmeversorgung zuletzt der Vorwurf einer intransparenten Preisgestaltung Negativ-Schlagzeilen produziert. Die Politik hatte teils auch die – weithin übliche – Quersubventionierung innerhalb der kommunalen Familie etwa mit Blick auf häufig defizitäre Verkehrs- oder Bäderbetriebe in Frage gestellt. Als „gnadenlos lokales Geschäftsmodell“ hingegen rechtfertigte nun DSW21-Chefin Heike Heim auf dem jüngsten Handelsblatt Stadtwerke-Kongress die kommunale Versorgungs-Sparte der Fernwärme. „Wir können das Geschäft nicht mal einfach ins Ausland verlagern“, so Heim auf dem Berliner Podium, stattdessen stehe man vor der Aufgabe, vorhandene Energielösungen durch neue, dekarbonisierte Modelle zu ersetzen, ohne dabei so leicht neuen Erlösquellen erschließen zu können. Das Bundeswirtschaftsministerium wolle bis 2030 die Fernwärme verdreifachen, „und dann führen wir Diskussionen über die monopolartigen Strukturen der Fernwärme und welche Margen gerechtfertigt sind“, so die Vorstandsvorsitzende in Dortmund in Reaktion auf die jüngste Debatte. „Wir sind, denke ich, je nachdem wie viel bereits investiert wurde, an einem Punkt, wo zusätzliche Finanzierungsquellen erschlossen werden müssen“, so Heim. Dazu brauche es „gewisse Renditeerwartungen – und solange das Geschäftsmodell Fernwärme in dieser Diskussion steckt, befürchte ich, dass sich Investoren erst einmal zurückhalten“. Auch der frisch ins Amt gestartete Mainova-Chef Michael Maxelon betonte, „wenn die Diskussion um die Fernwärme dahin geführt wird, man dürfe mit dieser Infrastruktur kein Geld verdienen, dann werden wir dafür auch keine Geld bekommen – und dann wird der Ausbau nicht passieren“.
Für DSW21-Chefin Heim stellt indes die anstehende Transformation in den Wärmenetzen eine enorme Aufgabe dar. „Am Beispiel Dortmund sieht man die Größe der Herausforderung, bei 600.000 Einwohnern erstmal die Daten zu erheben“, so Heim, um dann auf dieser Basis „sinnvoll mit aktuellen Technologien zu einer Wärmeplanung zu kommen“. Sie kritisierte mit Blick auf die seit 2024 gesetzlich verankerte – und im Fall der Großstadt Dortmund bis 2026 umzusetzende – Kommunale Wärmeplanung, die Politik habe die Erwartung erweckt, dass jetzt „einmal ein Plan gemacht“ werde und dann Planungssicherheit herrsche. „Das kriegen wir als Stadtwerke jetzt ein Stück weit ab“, es herrsche „eine große Ungeduld“ – etwa bei Industrien und Handwerksbetrieben, die „endlich Sicherheit“ einforderten, ob man sich künftig in einem Fernwärme- oder Wärmepumpengebiet befinde – oder ob das Gasnetz bleibe.
Der neue Mainova-Chef Maxelon warnte angesichts eines solchen verfehlten „Erwartungsmanagements“ wiederum vor gleichzeitig „zu starren Festschreibungen“ in der Wärmeplanung. „So etwas muss rollierend fortgeschrieben werden – parallel zur Entwicklung bei den Rahmenbedingungen“, so Maxelon. Die Transformation bis 2045 biete noch 20 Jahre Zeit. Er tue sich schwer damit, „heute ganz genau sagen zu wollen, wie die nächsten zwei Dekaden aussehen werden“. Die „Ex-Ante-Perspektive“ könne immer nur Technologien von heute im Blick haben. „Ich glaube, wir werden auch bei der Wärmeversorgung noch einiges dazu lernen, und so wird etwa in Frankfurt der Ausbau der Fernwärme durchaus oberhalb der bisherigen durchschnittlichen Leitungslänge pro Jahr stattfinden“, zeigte er sich, den Blick in die Zukunft gerichtet, überzeugt.
Ebenfalls recht sicher ist sich Maxelon, dass der Ansatz, „alles, was nicht mit Fernwärme erreichbar ist, einfach über die Wärmepumpe zu machen, nicht wirtschaftlich“ sein werde. Das zeigten beispielsweise Erfahrungen aus der Wohnungswirtschaft, wo versucht wurde, den Geschosswohnungsbau per Wärmepumpe zu beheizen, „die schlagen die Hände über dem Kopf zusammen“, so der Mainova-Chef. Auch dürfe nicht nur auf die Kundengruppen geschaut werden, „die in diese Wärmewende so gut hinein passen“. Der Einfamilienhausbesitzer mit PV, Wärmepumpe und Wallbox stelle nicht die Mehrheit dar.
Positiv werte Maxelon indes, dass die Wärmeplanung im Ergebnis nun nicht derart „rechtsverbindlich“ ausgestaltet sei, dass ein Versorger „in die Pflicht genommen werden“ könne – „beispielsweise mit einer Festschreibung, wo etwa Wasserstoff zum Einsatz kommen wird, mit Konsequenzen, wenn dies dann nicht geschieht“, so Maxelon. „Das wäre grundfalsch.“
Kritischer hingegen sieht diese begrenzte Verbindlichkeit bei der Planung der Wärmegebiete dena-Chefin Corinna Enders. Sie sehe hier das Henne-Ei-Problem. „Zögert man und wartet, ob es eine neue Entwicklung gibt, oder trifft man jetzt auch eine grundlegende Entscheidung – und hier glaube ich schon, dass wir mit der Wärmeplanung sehr, sehr stark vorankommen müssen“, so Enders.
Maxelon indes befürchtet aus anderer Richtung eine mangelnde Fokussierung auf eine bestimmte Technologie. „Gefährlich sind Doppelförderungen“, meint der Mainova-Chef. „Wenn man die Fernwärme, ein System, das von einer möglichst hohen Anschlussquote lebt, dadurch torpediert, dass man zeitgleich noch alternative Erzeugungsformen fördert und damit die Fernwärme wieder im Vergleich schlechter stellt, dann setzt man die Fördermittel nicht mehr zielgerichtet ein.“ Auch Heim betonte, es mache „keinen Sinn, sich parallele Infrastrukturen zu gönnen und zum Beispiel in einem ausgewiesenen Fernwärmenetz-Gebiet Wärmepumpen weiter zu fördern“.
Die Frage eines möglichen Anschlusszwangs hält Mainova-Chef Maxelon indes für eine „sehr individuelle“ Entscheidung. „Ich persönlich bin kein Fan davon – Fernwärme ist eine Bindung über sehr lange Zeiten, das sollte besser auf Freiwilligkeit beruhen“, so der gerade erst aus Kassel nach Frankfurt gewechselte Top-Manager.
Nicht zuletzt ein aktueller medialer Aufreger – die Meldung u.a. der BILD, die Stadtwerke Augsburg planten als erster Versorger, ein Gasnetz stillzulegen – rückte auf dem Stadtwerke-Kongress auch die Frage nach der Zukunft der Gasverteilnetze in den Fokus. Angefeuert wird die Debatte durch ein „Greenpaper“ zur künftigen Rolle der Gasverteilnetze aus dem BMWK, dessen Konsultation aktuell abgeschlossen wird bzw. wurde. Betreiber könnten danach die Möglichkeit erhalten, Netzanschlüsse zu verweigern oder Bestandskunden zu kündigen. Es sei „ja nicht vom Himmel gefallen, dass wir uns mit der Frage beschäftigen, wie geht man damit um, dass wir 2045 keine fossilen Energien mehr verbrennen wollen, dass wir Wasserstoffnetze haben werden, dass wir Fernwärme ausbauen, dass wir dezentrale Wärmenetze haben“, rechtfertigte BMWK-Energiestaatssekretär Philipp Nimmermann in Berlin den Ministeriums-Vorstoß. „Wie gehen wir mit denen um, die am Ende noch an so einem Gasnetz hängen – ist es tatsächlich fair, und glauben wir wirklich, dass ein komplettes Gasnetz immer vorhanden sein wird, neben Wärmepumpen oder vielleicht einem Fernwärmeanschluss“, so Nimmermann. Auf die restlichen Nutzer kämen „unglaubliche Summen“ für die Netze zu. Das müsse im Vorfeld aus Sicht des Verbraucherschutzes und aus Sicht der Planbarkeit diskutiert werden. Auch könne geklärt werden, „ob ein Erdgasnetz jetzt beschleunigt abgeschrieben“ und die Kosten noch auf breitere Schultern verteilt werden, „oder es aufrecht erhalten wird, um später doch Wasserstoff durchzuleiten“, so der Spitzen-Beamte.
Gasanschlüsse kündigen bzw. Neuanschlüsse verweigern zu dürfen, solche Befugnisse hält DSW21-Chefin Heim für „absolut geboten“. „Wenn wir kommunale Wärmeplanungen ernst nehmen, dann sollten wir möglichst effiziente Strukturen schaffen, um auch knappe Fördermittel intelligent auszugeben“, so Heim. Dabei müsse man sich bereits „heute Gedanken machen, wie man mit dem regulatorischen Rahmen umgeht, etwa wie Konzessionsverträge angepasst werden können, wenn wir – was wohl unbestritten ist – weniger Gasnetze haben werden als aktuell und auch Gasnetze stilllegen“, so Heim. Wichtig sei dann, „dass wir als Versorger vor Ort die Chance haben, auch ein Stück weit über Ordnungsrecht, die Wirtschaftlichkeit herzustellen“. Es mache weder aus Sicht der Kommune noch des Stadtwerks Sinn, wenn „nur noch zwei Kunden“ an einem Gasstrang hingen – sofern der nicht umgenutzt werden könne hin zu grünen Molekülen.
Maxelon sieht die Gasverteilnetze aber durchaus nicht am Ende. „Wenn die Überlegungen, die Mainova anstellt, dass eine Wärmepumpenlösung – jedenfalls nach dem, was wir heute wissen – auch künftig als Hybridlösung auszulegen ist, man also noch irgendetwas braucht, was mit offener Flamme verbrannt wird, um Spitzenlasten abzusichern, dann hat dieses Gasnetz auch eine Zukunft“, so der Mainova-Chef. Er traue sich keine Einschätzung zu, wann grüne Moleküle verfügbar sein würden, auch nicht in welchen Mengen und zu welchen Preisen. „Aber die Sicherheit, dass dies nie der Fall sein wird bzw. es so teuer bleibt wie heute, dieser Sicherheit würde ich eine Absage erteilen“, so Maxelon.
Hinzu komme, ergänzte DSW21-Chefin Heim in vertrieblicher Hinsicht, dass viele Stadtwerke erhebliche Erlöse aus dem Gasvertrieb zögen. Das könne man nicht eins zu eins durch Stromlösungen ersetzen. Erlösrückgänge würden nach ihrer Erwartung aber die Investitionen in die Transformation deutlich erschweren.
Mit Blick auf das in der Folge des KTF-Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf 10 GW gestutzte geplante Ausschreibungsvolumen für H2-ready-Gaskraftwerke, die als Backup im Zuge der Transformation zugebaut werden sollen, bestätigte Staatssekretär Nimmermann, dass die Auktionen „noch in der zweiten Jahreshälfte 2024“ beginnen. „Wir hoffen; wir sind auf einem guten Weg“, so Nimmermann. Zudem würden nun „zügig auf Basis der Plattform klimaneutrales Stromsystem Konzepte zu Kapazitätsmechanismen vorgelegt und im Sommer politisch darüber entschieden, welche Form eines Kapazitätsmechanismus wir ab 2028 haben werden“, so der Amtsträger. „Das heißt, es ist ein Zusammenspiel von ‚No-regret-Maßnahmen‘ vorweg, 10 GW an steuerbarer Leistung, und dann, ab 2028 einem Kapazitätsmechanismus, der den Rest abdecken kann“.
In der dazu ergänzenden Option Biogas bzw. Biomasse sehe das BMWK zwar „einen wichtigen Punkt“, man meine aber als Bundesregierung, dass Biomasse in der energetischen Nutzung begrenzt sei. „Wir haben eine gleichbleibende Nutzung, die auch im EEG festgeschrieben ist“, so Nimmermann. Wichtiger für die Biomasse sei die Flexibilisierung, „wie bekommen wir es hin, dass Biomasse nicht als Grundlast fährt“. Biomasse sei „momentan fast inflexibler als Kohle“, so Nimmermann. „Ich denke, im Rahmen des Kapazitätsmechanismus, der nicht unbedingt ein Kapazitätsmarkt im beihilferechtlichen Sinne sein muss, hat die Biomasse eine Chance, dann kann sie zeigen, welche Flexibilitätsmöglichkeiten sie hat“, so der BMWK-Mann.
Was die – nicht unstrittige – Frage der räumlichen Verteilung der geplanten 10 GW an Kraftwerkskapazität anbelangt, bleibe es dabei, dass die EU keine reinen regionalen Kriterien erlaube. „Aber wir wollen Systemdienlichkeit der Anlagen formulieren“, so Nimmermann. „Es macht aus unserer Sicht Sinn, die Kraftwerke da aufzustellen, wo wir Redispatchkosten reduzieren können.“ Und das sei nicht nur der Süden Deutschlands.