„Das große Reformpaket, auf das wir Jahre haben warten müssen, enthält viel Gutes - es eröffnet uns die Tür zur Klimaneutralität“, lobte die gerade wiedergewählte Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), Simone Peter, das energie- und klimapolitische „Osterpaket“ auf dem Sommerfest ihres Verbandes. Und fügte sogleich hinzu, dass die „Tür erst einen Spalt weit geöffnet“ sei. Damit Deutschland hindurchschreiten könne, müsse noch mehr passieren.
Um energiesouverän zu werden, sei hierzulande der Ausbau bei allen erneuerbaren Energiequellen zu „entfesseln“. Der gesamte Energiemix werde benötigt, es komme auf jede Kilowattstunde an. Besonders für die Biogasbranche sieht Peter derzeit noch keine tragfähige Perspektive. Gerade die Bioenergie habe mit Blick auf die sinkenden russischen Gasexporte eine zentrale Rolle für die Energieversorgung in Deutschland, könne sie hier doch 5 Prozent des russischen Gases ersetzen, so Peter.
„Knapp sind nicht die Erneuerbaren, knapp ist die Zeit. Und dafür brauchen wir auch Flächen und beschleunigte Verfahren“, forderte die BEE-Chefin weiter. Schnell angepackt werden müsse zudem die Energiewende im Wärmesektor.
Um sich von der Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu lösen, müsse jetzt der „Turbogang beim Ausbau der Erneuerbaren“ eingelegt werden, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. „Jedes Windrad, jede PV-Anlage, jede Biomasseanlage ist ein Schritt auf den Weg dorthin, dass Energie sicher ist und bezahlbar bleibt.“ Der Krieg in der Ukraine zeige, dass Energiepolitik nicht nur eine Frage des Preises sei, sie sei auch Sicherheitspolitik. Deutschland habe sich zu lange und zu einseitig auf russische Energielieferungen verlassen. Nun zeige sich, dass Energie als Waffe eingesetzt werde.
Mit dem nun gefassten Frühjahrs- und Sommerpaket würden die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, das Tempo beim Ausbau zu forcieren. „Wir werden damit auch festschreiben, dass der Ausbau der Erneuerbaren im überragenden öffentlichen Interesse liegt. Wir haben schlicht keine Zeit mehr, Dinge aufzuschieben.“ Deutschland habe mit dem Ausstieg aus Kernenergie und Kohle schließlich auch eine Wette abgeschlossen, „im Gegenzug müssen wir dafür aber anderes an diese Stelle setzen“. Bei manchem mangele es noch daran, das zu akzeptieren.
„Wir wollen die Energiewende zu einem globalen Projekt machen“, hob Scholz hervor. Es sei die Aufgabe von Deutschland und anderen Industrienationen, zu zeigen, dass es Alternativen zu fossilen Energien gebe. „Aber das muss sich in der Praxis bewähren. Wenn wir hier vorangehen, gehen wir damit auch woanders voran.“
Scholz ging auch auf staatliche Subventionen für die Erneuerbaren-Branche ein. „Wenn man schon das Geschäftsmodell der Zukunft vertritt, muss man sich von dem Gedanken lösen, dass man auch noch im Jahr 2050 Subventionen will.“
Für die seit Mai amtierende DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi steht fest, dass es „kein Zuviel“ beim Ausbau der Erneuerbaren gibt. „Unser Maximum wird gerade gut genug sein. Machen wir uns gemeinsam auf den Weg“, betonte sie. Bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen, das könne man als „Apollo-Projekt des 21. Jahrhunderts“ bezeichnen. Erneuerbare Energien dürften nicht zu neuen Abhängigkeiten führen. Schmerzliche Erfahrungen habe man durch den Verlust eines Großteils der deutschen Solartechnologie vor 10 Jahren erfahren, die sich nun in China konzentriere. „Das darf sich nicht wiederholen.“ Lieferketten müssen Fahimi zufolge resilienter gemacht werden, es müsse zu einer „Revitalisierung der Wertschöpfungsketten“ in Deutschland und Europa kommen. „Es wird sich lohnen.“ Das lasse sich aber nur umsetzen, wenn die Beschäftigten als wesentliche Ressource der Energiebranche wertgeschätzt würden.
"Erneuerbare sind die Zukunft, durch die Arbeitsplätze, Wohlstand und damit auch Sicherheit und Stabilität in Deutschland entstehen", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck per Videobotschaft. Erfreut zeigte er sich, dass mit dem gerade verhandelten großen Energie-Gesetzespaket eine wichtige Mengenreform komme, aber auch das Artenschutz- und Naturschutzrecht und die Ausweisung von 2 Prozent der Flächenziele bundesweit umgesetzt würden und „eine Verhinderungsplanung unmöglich gemacht wird“.
„Wir wollen die Probleme lösen, wollen pragmatisch vorgehen und was möglich ist, sofort umsetzen.“ Das sei noch eine Menge Arbeit. „Das, was wir noch vor uns haben, ist ein großes gesellschaftliches Gesamtwerk, das nicht allein durch gutgemachte Gesetze gelingen kann.“
Es brauche „Signale und neue Symbole“, die zeigten, dass die Zeiten andere geworden seien, kommentierte der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies. Dazu gehörte auch ein Tempolimit auf der Autobahn.
Es schmerze, nun erst einmal wieder stärker die Kohle bei der Verstromung zum Einsatz zu bringen, um Gas vorrangig in die Speicher zu leiten. „Aber eine Verlängerung der Laufzeit von Kernkraftwerken wird es mit uns nicht geben, auch kein Fracking-Gas. Das wäre das falsche Signal.“
Positiv wertet auch Lies es, dass nun erleichterte Verfahren zum Ausbau der regenerativen Energien bereitstehen. „Erneuerbare haben jetzt ein überragendes öffentliches Interesse.“ Die heutige Botschaft laute: Im Zweifel für die Erneuerbaren. Diese Umkehr sei gut. Auf dass bald nicht mehr von „Horizontverschmutzung oder Verspargelung“ bei Windanlagen geredet werde, stattdessen sollten Windräder „als Symbol für Frieden, Freiheit, Unabhängigkeit und Bezahlbarkeit verstanden werden“.