Mitte dieses Monats werden von der EU-Kommission konkrete Vorschläge unterbreitet, wie der Green Deal, das 2030er-Klimaziel „Fit for 55“, umgesetzt werden soll. Dabei wird es auch um die Ausweitung des Emissionshandels unter anderem auf den Verkehrssektor gehen, aber wohl auch um weitere regulatorische Schritte wie eine Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte. Auf einer Veranstaltung des Forums für Zukunftsenergien wurden für den Sektor Verkehr, der rund ein Fünftel der europäischen CO2-Emissionen beisteuert, die möglichen Minderungshebel – Ausweitung des ETS, Festpreissystem oder regulatorische Vorgaben – diskutiert.
„Aus unserer Sicht soll das Klimaziel 2030 mit einem breiten Instrumentenmix erreicht werden“, kommentierte Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, „wir in der Bundesregierung sind dafür, den CO2-Preis in der EU auch auf den Verkehrsbereich auszuweiten, wie wir das im nationalen Rahmen schon seit Jahresbeginn machen.“ Um die unterschiedliche Situation in den Mitgliedsländern zu berücksichtigen und sie „alle in ein Boot zu holen, ist aber ein Mix aus Anreizen, Grenzwerten, Preissignal wichtig.“
Grenzwerte seien notwendig, damit auch „unsere Industrie bei der Technik gefordert ist. Wir wollen ja im Wettbewerb vorne dabei sein. Ohne Grenzwerte hätten wir unsere herausragende Technik nicht - und wir sind noch nicht so weit, auf Flottengrenzwerte verzichten zu können“, so die Staatssekretärin.
Eine weitere Verschärfung dieser Fahrzeug-Grenzwerte hingegen hält Alexander Eisenkopf, Wirtschaftsprofessor an der Zeppelin Universität Friedrichshafen, aus ökonomischer Sicht für nicht mehr angemessen. „Letztlich gibt es damit quasi durch die Hintertür eine versteckte Elektroautoquote.“ Flottengrenzwerte könnten zwar „am Horizont mitlaufen, aber es soll nicht das Leitinstrument der Politik sein“. Es gebe keine belastbaren Aussagen darüber, dass Flottengrenzwerte maßgeblich zum Klimaschutz 2030 beitragen würden.
Das Leitinstrument sieht der Ökonom vielmehr im ETS. „Wenn wir das EU-ETS anschauen, dann reden wir über eine Veranstaltung, die effektiv und mit der sicher das Ziel erreichbar ist.“ Leider würden nur 45 Prozent der CO2-Emissionen vom ETS abgedeckt. Mehr als die Hälfte unterliege dem Effort-Sharing, mit dem sich die Emissionen nicht zwangsläufig in gewollter Höhe reduzieren ließen. „Meine Message: Wir sollten auch den Verkehr weitestmöglich in das Emissionshandelssystem hineinbringen, weil nur dann die Effizienzeffekte entstehen können. Emissionshandel ist eben treffsicher, was die Mengensteuerung angeht.“ Eisenkopf plädiert allerdings dafür, den Emissionshandel für den Verkehr nicht direkt in den bestehenden ETS zu integrieren, sondern zumindest temporär als separates System parallel zu fahren.
Auf rechtliche Ansätze für einen systemgerechten Umbau ging Wolf Friedrich Spieth von der Anwaltskanzlei Posser Spieth Wolfers & Partners ein. „Wenn man sich den Verkehrssektor anschaut, steht man vor einem Instrumentenmix, der regulatorisch oft unverbunden nebeneinandersteht. Wir halten das Regulierungssystem für ungeeignet, um die Ziele 2030 bis 2050 zu erreichen.“
Auch Spieth plädiert für den Emissionshandel im Verkehrssektor als besten Lösungsansatz. „Er ist der Goldstandard“, weil er dafür sorgt, dass die Klimaneutralität sicher zu erreichen sei, und „er belässt dann noch die größtmöglichen Freiheiten“. Beim bestehenden ETS sei mit viel Learning-by-doing gearbeitet worden, verschiedene Instrumente wie etwa mit Blick auf das Carbon Leakage seien integriert worden, um das System zu optimieren. „Deshalb halte ich den ETS für eine gute Möglichkeit, ihn auch für den Verkehrssektor anzuwenden. Aus regulatorischer Sicht ist es ein smoothes Instrument.“ Wegen der unterschiedlichen Vermeidungskosten in den verschiedenen Sektoren hält auch Spieth ein sofortiges Zusammenführen allerdings kaum für machbar. „Der richtige Zeitraum für ETS 2 wird wohl ab 2030 sein, aber eigentlich brennt jetzt schon die Hütte. Je früher wir eingreifen, desto besser.“
Und wie umgehen mit den bereits ausdifferenzierten Regulierungen, fragt sich Spieth. „Es macht Sinn, über eine Glockenfunktion im Emissionshandel nachzudenken“, resümiert er. Unter der Glocke hätten dann durchaus auch noch vorhandene Regulierungen ihren Raum, etwa Flottengrenzwerte, „um damit weiterhin einen Flankenschutz sicherzustellen und bestimmte Zielwerte einzuhalten“.
Der Verkehr wird teurer, ist der Jurist überzeugt. Aber das werde nicht am Emissionshandel liegen, sondern sei einzig in den strengeren Klimazielen begründet. Der Emissionshandel sei eher ein Instrument, dass das System noch am marktwirtschaftlichsten halte und für eine relativ kostengünstige Entwicklung sorge. Alle anderen Schritte im Ordnungsrecht würden im Ergebnis nicht günstiger werden.
Aufgrund der stetig anziehenden Nachfrage nach Elektroautos und der sich dadurch ergebenden Stückzahlverschiebung bei den Verbrennern sieht der Verband der Automobilindustrie (VDA) in einem weiterhin massiven Feilen an den Flottengrenzwerten den falschen Ansatz. „Wir müssen uns auch den Bestand anschauen, uns auch der Defossilisierung der Kraftstoffe widmen. Und auch bei den E-Autos dürfen wir nicht nur Tank-to-wheel betrachten, sondern müssen auch auf die gesamte Vorkette schauen. Auch dabei kann der Emissionshandel ein entscheidender Hebel sein“, unterstrich VDA-Geschäftsführer Kurt-Christian Scheel.
Fossile Kraftstoffe müssten teurer werden, sonst gebe es keine Lenkungswirkung. Wie genau der Preis sich entwickele, das stehe noch in den Sternen. „Wir werben dafür, dass die Einnahmen aus dem Emissionshandel sowohl bei den Sozialauswirkungen ansetzen als auch bei der technologischen Transformation.“ So könne man bei der Elektromobilität schnell die Kostenseite minimieren und Elektrofahrzeuge für alle erschwinglich machen.