Die EU-Kommission hat die Liste mit Energieinfrastrukturprojekten, die im gesamteuropäischen Interesse (PCI) liegen, aktualisiert. Das geschieht seit 2013 alle zwei Jahre. Die Behörde wählt die Projekte anhand von Leitlinien aus, die in der TEN-E-Verordnung verankert sind. Diese Verordnung wurde 2022 so geändert, dass keine Infrastrukturprojekte für fossile Brennstoffe, also etwa Erdgas- oder Erdöl-Pipelines mehr auf die Liste kommen können.
"Die EU-Finanzierung der Infrastruktur für fossile Brennstoffe ist vorbei”, sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson bei der Vorstellung der Liste. "Jetzt ist es an der Zeit, in Energieinfrastrukturen zu investieren, die für ein flexibleres, dezentrales und digitalisiertes System geeignet sind."
Es handelt sich um die mittlerweile sechste Liste. Neu ist, dass auch Projekte, die in einem bilateralen Interesse der EU mit einem Nicht-EU-Land (PMI) liegen, auf ihr stehen. Das sind u.a. Stromverbindungsleitungen zum Vereinigten Königreich, zum westlichen Balkan und zu den nordafrikanischen Ländern.
Insgesamt hat die EU-Kommission 166 Projekte ausgewählt, davon 156 PCI- und 10 PMI-Projekte ausgewählt. Bei den Projekten handelt es sich bei mehr als der Hälfte (85) um Vorhaben in den Bereichen Strom, Offshore und intelligente Stromnetze. Zum ersten Mal wurden Wasserstoff- und Elektrolyseurvorhaben (65) einbezogen. Auch stehen 14 CO2-Netzvorhaben auf der Liste, damit ein Markt für CO2-Abscheidung und -Speicherung entstehen kann.
13 der Stromprojekte betreffen Deutschland, sechs Österreich. Mit dabei sind vor allem viele der geplanten "Stromautobahnen" - so A-Nord, der Korridor B, Südlink, Ultranet und Südostlink in Deutschland, in Österreich die Leitungen zwischen St. Peter und Tauern als Anschluss an die sogenannte "Deutschlandleitung" sowie zwischen Westtirol und Zell/Ziller. Die deutschen Leitungen dienen allesamt dazu, Windstrom aus dem Norden und dem Nordosten nach Süden zu transportieren.
Bei den Interkonnektoren stuft die EU-Kommission zwei Stränge der Deutschlandleitung als besonders wichtig ein, ebenso die österreichisch-italienischen Interkonnektoren Würmlach-Somplago und Linz und Venezien. Auch hat die EU-Kommission ein deutsch-britisches Projekt (PMI) auf die Liste gesetzt. Es handelt sich um den Tarchon-Interkonnektor zwischen Emden und Corringham.
Im Offshore-Bereich ist Deutschland an zwei Hubs beteiligt, eins in der Nord- und eins in der Ostsee. Es handelt sich um das deutsch-dänisch-niederländische Projekt “North Sea Wind Power Hub” und das deutsch-dänische Projekt “Bornholm Energy Island”.
Darüber hinaus berücksichtigt die Liste zwei deutsche Pumpspeicherkraftwerke als PCI: den Pumpspeicher Riede und, neu hinzugekommen, das Wasserkraftwerk Puls.
Für die auf der Liste stehenden Projekte können die Vorhabenträger eine Reihe von Vorteilen in Anspruch nehmen: Genehmigungen innerhalb von höchstens dreieinhalb Jahren durch eine einzige zuständige nationale Behörde (zentrale Anlaufstelle), schnelle Umweltverträglichkeitsprüfungen, Aufteilung der Investitionskosten (Baukosten) auf jene Mitgliedstaaten, die von einem auf der Liste aufgeführten Vorhaben profitieren sowie die Möglichkeit der finanziellen Unterstützung mit EU-Haushaltsgeldern über den 2014 geschaffenen Fonds „Connecting Europe Facility“ (CEF).
Das Verfahren zur Auswahl von PCI und PMI beruht auf der Zusammenarbeit regionaler Gruppen, die gemäß der TEN-E-Verordnung eingerichtet wurden. Diesen für Strom, Offshore-Netze, Wasserstoff und Elektrolyseure einberufenen Gruppen gehören Vertreter der EU-Kommission, der EU-Mitgliedstaaten, der nationalen Regulierungsbehörden, der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), des europäischen Verbands der Fernleitungsnetzbetreiber ,Entsog, des europäischen Verbands der ÜNB, Entso-E, der EU-Energieregulierungsagentur ACER und der europäischen Organisation der Verteilernetzbetreiber (EU-VNBO) an.
Die EU-Kommission legt die Liste als delegierte Verordnung vor. Die kann von den EU-Mitgesetzgebern, EU-Parlament und EU-Energieministerrat, nur abgelehnt, aber nicht geändert werden. Dafür haben sie zwei Monate Zeit. Der Zweimonatszeitraum kann auf ihren Wunsch hin um weitere zwei Monate verlängert werden. Wenn die Liste innerhalb dieses Zeitraums weder vom EU-Parlament noch vom Rat abgelehnt wird, tritt sie in Kraft und ersetzt die derzeitige fünfte PCI-Liste.