Die Neuzulassungen von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben haben im vergangenen Jahr spürbar zulegen können. Welche Rolle spielen neben der politisch favorisierten Elektromobilität Wasserstoff und grüne synthetische Kraftstoffe? Diese und andere Fragen diskutierten Experten auf dem 13. EID Kraftstoff-Forum.
Der Anteil alternativer Antriebe an den Pkw-Neuzulassungen ist 2020 von 10,7 Prozent zu Jahresbeginn auf 40,6 Prozent zum Jahresende gestiegen. Damit verfügt inzwischen fast jedes dritte neuzugelassene Fahrzeug über einen alternativen Antrieb. Bei der Verkehrswende hat sich im vergangenen Jahr also trotz der Unkenrufe einiges getan. Neben der Elektromobilität, die zuletzt deutlich zulegen konnte, stehen nun auch andere Kraftstoff-Alternativen in den Startlöchern. Nach einem Jahr Zwangspause fand das 13. EID Kraftstoff-Forum nun am 23. und 24. März coronabedingt noch immer als virtuelle Veranstaltung statt und dabei gab es viel zu bereden. Mit der zentralen Frage, ob mittelfristig ein vollständiger Umstieg auf die Elektromobilität zu erwarten ist oder ein breiter Kraftstoff-Mix mit einem festen Anteil an Verbrennungsfahrzeugen bestehen bleiben wird, eröffnete Frank Bonaldo, Referatsleiter „Mobilitätswende und Sektorkopplung“ beim Bundeswirtschaftsministerium die zweitägige Veranstaltung. Bonaldo skizzierte die EU-Etappenziele, nach denen bis 2030 mindestens 30 Millionen emissionsfreie Pkw in Europa unterwegs sein und der Öffentliche Personenverkehr mit Distanzen bis 500 km mit Bussen, Bahn und per Flugzeug klimaneutral gestellt sein muss. Dazu, zeigte Bonaldo sich überzeugt, werde die EU-Kommission im Juni dieses Jahres eine deutliche Verschärfung der EU-Flottenziele von derzeit minus 37,5 Prozent auf dann minus 50 Prozent beschließen.
Bonaldo machte deutlich, dass der bisherige Markthochlauf der Elektromobilität in Deutschland ausschließlich dadurch begründet sei, dass die Mehrkosten der elektrisch betriebenen Fahrzeuge durch staatliche Förderungsmaßnahmen deutlich überkompensiert werden. Einig waren sich die Teilnehmer, dass die Brennstoffzelle im Pkw-Sektor vorerst eine untergeordnete Rolle spielen werde. Dennoch bleibe Wasserstoff als Kraftstoff der Zukunft wichtig, die Frage sei aber die zeitliche Perspektive. „Wasserstoff zielt nicht auf die Klimaziele 2030 ab – sondern bereitet auf die 2050-Ziele vor und ist nicht nur auf den Mobilitätsbereich, sondern auf alle Wirtschaftsbereiche anzuwenden“, betonte Jens Dietrich vom Bundesverkehrsministerium. Auch Jörg Starr, Vorsitzender des Clean Energy Partnership, einer Initiative zur Einführung der Wasserstoff-Technologie im Verkehrssektor, geht davon aus, dass Brennstoffzellen-Pkw frühestens ab 2030 in nennenswerter Stückzahl in den deutschen Markt kommen werden.
Bis 2030 müssen die CO2-Emissionen des Verkehrssektors auf 95 Millionen Tonnen oder um 55 Prozent abgesenkt werden und eine weitere Verschärfung dieser Ziele ist mit einer Anhebung der EU-Green-Deal-Ziele absehbar. „Selbst wenn mit den Erfahrungen aus der Corona-Pandemie das prognostizierte Verkehrswachstum sich verlangsamt und der Hochlauf der Elektromobilität mit 10 Millionen Fahrzeugen gelingt, ist mit einer Verschärfung der Sektorenziele zu rechnen, so dass der Bedarf an alternativen Kraftstoffen auf einen Marktanteil von 20 Prozent wachsen wird“, rechnete Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbands vor. Konventionelle Biokraftstoffe und abfallbasierte Kraftstoffe seien dabei nur begrenzt auf die THG-Quoten anrechenbar, während die Elektromobilität durch ihre Anrechenbarkeit um den Faktor 3 für die Fahrzeughersteller einen großen Beitrag zur Zielerreichung leisten könne.
Für Timm Kehler von der Brancheninitiative Zukunft Gas ist die Frage der Klimaneutralität entscheidend, denn sie gibt vor, in welche Richtung sich alternative Kraftstoffe weiterentwickeln können. „Trotz mehrerer Dekaden an regulatorischen CO2-Minderungsmaßnahmen stagnieren die CO2-Emissionen im Verkehrssektor“, unterstrich Kehler. Wirkliche Rückgänge seien nicht zu verzeichnen, dabei sei vor allem die Gaswirtschaft frühzeitig mit Angeboten in den Markt gegangen, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Allerdings musste die Branche im vergangenen Jahr einen herben Rückschlag einstecken, als der VW-Konzern ankündigte, die Serienproduktion von Erdgasfahrzeugen einzustellen. Damit bietet inzwischen nur noch der Fiat-Konzern CNG-Serienfahrzeuge an. Um die Klimapotenziale des Gasantriebs zu heben, setzt die Branche zunehmend auf Bio-CNG. Die Hälfte der rund 830 Erdgas-Tankstellen in Deutschland würden inzwischen 100 Prozent Bio-CNG ausgegeben. Große Hoffnungen setzt Kehler auch auf das Thema LNG, das vor allem im Straßengüterverkehr eine wichtige Säule im Kraftstoff-Mix werden soll.
LNG ist auch in der Schifffahrt eine mögliche Stellschraube zur Absenkung der CO2-Emissionen. Die Branche bekomme aus der Kundschaft immer mehr Druck ,um die CO2-Emissionen in den Transportketten zu reduzieren, berichtete Kapitän Richard von Berlepsch von der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd. Mit der „Brussels Express“ rüstet das Unternehmen derzeit das erste Großcontainerschiff auf einen LNG-Antrieb um und verspricht sich von der Maßnahme eine Absenkung der CO2-Emissionen von 15 bis 25 Prozent. In der Flotte hat Hapag-Lloyd weitere 16 Schiffe, die als LNG-ready klassifiziert sind und ebenfalls umgerüstet werden könnten. Ab 2023 will die Reederei sechs neue LNG Dual-Fuel-Schiffe in Betrieb nehmen, die bereits bestellt sind.
Dem Flugverkehr macht indes Jürgen Wollschläger, Geschäftsführer der Raffinerie Heide, neue Hoffnungen. Mit dem Pilotprojekt „KEROSyN100“ will man eine skalierbare Prozesskette zur Produktion von strombasiertem Kerosin und anderen flüssigen Kraftstoffen im industriellen Maßstab aufbauen. Mithilfe der Windenergie, die am Raffineriestandort in Dithmarschen ausreichend vorhanden ist, sollen große Mengen erneuerbarer Energien in den Verkehrssektor integriert werden. Innerhalb der nächsten fünf Jahre sollen rund 5 Prozent des Kerosinbedarfs am Hamburger Flughafen durch das Projekt dekarbonisiert werden.