Für seine mittelständischen Partner sucht AVIA-Vorstand Holger Mark nach Lösungen und neuen Produkten, um sich dem Wandel auf dem deutschen Tankstellenmarkt zu stellen. Der Markt sei in Bewegung, es ist aber keine Disruption, sondern eine Transformation, sagt er im Gespräch mit dem EID.
EID: Herr Mark, die Deutsche AVIA hat im vergangenen Jahr 46 Tankstellen von OMV und Esso in Süddeutschland übernommen und sehr schnell in ihr Netz integriert. Wie kam es dazu?
Holger Mark: Das Bundeskartellamt hat uns sehr gefordert und mit strikten Auflagen bedacht. Wir mussten die Integration und Umflaggung der Stationen in einem sehr engen Zeitfenster umsetzen. Zusammen mit unseren Partnern, also unseren Gesellschaftern und Dienstleistern, hat das sehr gut geklappt und weniger als ein halbes Jahr gedauert. Sieben Gesellschafter und unsere Beteiligung Tessol haben letztlich die Stationen in ihre Verantwortung überführt. Die Umflaggung der 46 Tankstellen wurde dann von unseren Dienstleistern in nur drei Wochen vollzogen.
EID: Haben Sie mit der Transaktion auch den Verlust der Minera-Stationen, die zuvor zu Esso gewechselt waren, kompensieren können?
Holger Mark: Ja, neben den nun übernommenen 46 Tankstellen akquirieren unsere Gesellschafter ja auch unterjährig immer wieder Stationen. In den letzten Jahren sind eigentlich immer mehr neue Stationen ins Netz gekommen, als abgeflossen sind. Aber natürlich war der Wechsel ein Einschnitt für uns. Wir müssen aber akzeptieren, wenn es für die Beteiligten nicht mehr passt. Insgesamt haben wir unsere Position als Nummer 5 im deutschen Tankstellenmarkt mit nun rund 900 Tankstellen weiter gefestigt. Man sieht, dass unsere Arbeit Früchte trägt, unsere Gesellschafter uns vertrauen, weiter investieren und mit der Marke AVIA weiter wachsen wollen.
EID: In dem Paket von OMV waren ja auch einige Automatenstationen.
Holger Mark: Die haben wir nicht gekauft. Wir haben uns das angesehen, aber unter den Rahmenbedingungen hat das für uns keinen Sinn gemacht.
EID: ...aber Sie betreiben doch auch viele unbemannte Automaten-Standorte. Welche Perspektive sehen Sie in diesem Segment?
Holger Mark: Wir sehen das als Zukunftsthema, in dem es auch weiteres Wachstum geben wird. Gerade im ländlichen Raum, wo sich ein Generationswechsel aufgrund der Tankstellengröße schwierig gestaltet, kann so ein Downsizing eine gute Alternative sein, um den Standort zu erhalten. Wir werden da auch oft von den Kommunen unterstützt, denn eine Tankstelle im Ort wird mit ihrer Versorgungsfunktion auch als Bestandteil der Infrastruktur angesehen.
Aber wenn ich ehrlich bin, hätte ich der Automaten-Tankstelle vor zehn Jahren nicht die Bedeutung beigemessen, die sie heute hat. Vor Jahren waren Automaten verpönt, inzwischen interagieren wir aber immer öfter mit Maschinen, und dadurch ist auch die gesellschaftliche Akzeptanz gestiegen. Und natürlich entwickelt sich auch die Technik weiter und wird immer benutzerfreundlicher. Ich glaube, wir werden hier in den nächsten Jahren noch richtige Sprünge erleben, denn es wird ja auch immer schwieriger, Personal für die Tankstellen zu rekrutieren, um die Öffnungszeiten sicherzustellen.
EID: Das vergangene Jahr war ja mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges sehr herausfordernd. Inwieweit hat sich durch den Verzicht auf russische Dieselimporte und den geringeren Öllieferungen an die Raffinerien in Schwedt und Leuna die Versorgungslage bei den Kraftstoffen verändert?
Holger Mark: Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, das letzte Jahr war für die AVIA – aber auch für die gesamte Branche – sehr herausfordernd. Wir dachten ja, Corona sei schon schwierig zu managen, aber 2022 war wirklich noch einmal deutlich komplizierter. Als AVIA betreiben wir keine Raffinerien oder Tanklager, und mit unserem Tankstellennetz sind wir in Ostdeutschland nicht so stark involviert. Uns ist es gelungen, alle unsere Standorte mit Kraftstoffen zu versorgen. Aber natürlich hatte das einen massiven Einfluss auf den gesamtdeutschen Markt. Als Branche ist es uns gelungen, die existierenden Warenströme von West- nach Ostdeutschland umzudrehen und die Versorgung zu sichern. Und es war auch der richtige Schritt, Rosneft Deutschland unter staatliche Treuhandverwaltung zu stellen.
EID: Die Bundesregierung hat also einen guten Job gemacht?
Holger Mark: Wenn die Bundesregierung Rosneft Deutschland nicht unter Treuhand gestellt hätte, dann hätte das wohl tatsächlich Auswirkungen auf den gesamtdeutschen Markt gehabt. Wir haben bei AVIA selbst gesagt, dass wir unseren Vertrag mit diesem Lieferanten nicht verlängern können und haben sogar prüfen lassen, ob wir den Vertrag außerordentlich kündigen. Insofern bin ich heilfroh, dass wir jetzt die Treuhandverwaltung haben. Denn mit unseren Ansprechpartnern haben wir immer gut zusammengearbeitet.
Aber die Bundesregierung hat uns oft auch nur vor neue Herausforderungen gestellt, obwohl die Maßnahmen sicherlich gut gemeint waren. So hat der Vorrang von Kesselwagen im Schienenverkehr zur Sicherstellung der Versorgung nicht funktioniert, weil das System Bahn oft nicht läuft. Auch der Tankrabatt im letzten Jahr ist so ein Beispiel. Den Aufschrei, den es damals gab, den haben wir uns sicher nicht gewünscht. Aber wenn die Steuersenkung in eine Phase steigender Preise fällt, dann steht die Branche schnell unter dem Verdacht der „Abzocker der Nation“ zu sein. Natürlich wollen wir auch Geld verdienen, aber wir sind sicher nicht diejenigen, die den Goldesel melken, sondern wir versuchen in erster Linie, die Versorgung am Laufen zu halten.
EID: Das erste Halbjahr ist nun abgeschlossen. Können Sie schon Bilanz ziehen, wie sich das Tankstellenjahr 2023 entwickelt hat? Wie steht es um die Margen, was sind die aktuellen Kostentreiber und mit welchen Maßnahmen wollen Sie darauf reagieren?
Holger Mark: Das vergangene Jahr hat sicher Spuren hinterlassen, die noch nicht ganz verblasst sind. Die Inflation ist für uns alle spürbar geworden und belastet sowohl die privaten Verbraucher als auch die Unternehmen. Die Lohnforderungen und auch der Mindestlohn steigen. Ich begrüße das, denn natürlich soll man in Deutschland von seiner Arbeit auch leben können. Es zieht aber auch eine lange Kette an Folgen nach sich, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Sicherlich nachvollziehbar können wir uns zu konkreten Margenkennzahlen nicht öffentlich äußern. Wir können allerdings festhalten, dass die Entwicklung der Kraftstoffmargen im ersten Halbjahr den Werten von 2022 hinterherhinkt und somit die in 2023 bislang erzielte Kraftstoffmarge tendenziell unterhalb des Vorjahres liegt. Die hohen Energiekosten spielen ebenfalls eine Rolle. Wir versuchen, diese über Photovoltaik auf den Tankstellendächern ein Stück weit aufzufangen. Und wir wollen weiter investieren in Themen wie die Elektromobilität. Das alles muss man sich auch leisten können.
Auf der Produktseite hat sich der Markt verändert, hier sehen wir neue Herausforderungen. Ich habe noch nie so viele Anfragen von internationalen Händlern bekommen, die Ware von weiß Gott woher anbieten. Da herrscht gerade eine richtige Goldgräberstimmung. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sich das in der langfristigen Betrachtung rächen wird. Wir kaufen immer noch bei unseren langjährigen Partnern ein und wollen keinen schnellen Effekt erzielen. Da haben wir eine klare Linie und arbeiten eng mit unseren Partnern zusammen. Ich ziehe es vor, nachts noch gut schlafen zu können und mir keine Gedanken über die Herkunft meiner Kraftstoffe machen zu müssen.
EID: Ausschließen, dass Ware aus dubiosen Quellen in den Markt kommt, kann man aber nicht, oder?
Holger Mark: Nein, das kann man leider nicht.
Aber es gibt natürlich Unternehmen im Markt, die haben eine andere Renditeerwartung als wir. Und komischerweise findet sich dann doch irgendwann entsprechende Ware im Markt. Unsere Mittelständler wollen aber kein Risiko und keine öffentlichen Schlagzeilen. Seit mindestens zehn Jahren bewegen wir uns auf einem relativ hohen Compliance-Level. Alles wird dokumentiert und spekulative Momente versuchen wir von jeher auszuschließen, denn uns ist klar, dass die Branche unter besonderer Beobachtung steht. Ein schneller finanzieller Vorteil würde einen da beim Image und steuerrechtlich schnell einholen. Das passt nicht zu unserem Geschäftsmodell.
EID: Apropos Geschäftsmodell: In den letzten Jahren ist der deutsche Tankstellenmarkt immer mehr in Bewegung gekommen. Nach Esso hat auch OMV sein deutsches Tankstellennetz an EG verkauft und TotalEnergies mit dem Verkauf seiner Stationen an den kanadischen Convenience-Spezialisten Couche-Tard den Rückzug aus dem deutschen Markt angekündigt. Shell verabschiedet sich aus dem Privatkundenmarkt und gibt die Strom- und Gasversorgung hierzulande auf. Wie bewerten Sie diese Entwicklung für den Gesamtmarkt?
Holger Mark: Also der Stromvertrieb für Endkunden war im letzten Jahr für die Anbieter ja nicht wirklich lustig, da kann ich schon verstehen, dass man sich aus dem Markt zurückzieht, zumal Shell ja auch gerade erst mit dem Geschäft angefangen hatte. Bei der AVIA werden wir am Stromvertrieb aber festhalten. Wir sind aber auch anders aufgestellt, betreiben seit 2013 eigene Windparks.
Was den Tankstellenmarkt angeht, ist es interessant und spannend zu gleich, zu sehen, was aktuell passiert. Die großen multinationalen Konzerne haben oft eine andere Sicht auf die Dinge als wir mit unseren mittelständischen Partnern. Ein Konzern ist seinen Shareholdern verpflichtet und muss sich auch aktuellen Marktanalysen stellen, da haben wir einen wesentlich längeren Betrachtungshorizont. Der deutsche Tankstellenmarkt ist ja sehr stark reguliert und hat mit dem Bundeskartellamt eine strenge Kontrollbehörde. Mehrfach wurde festgestellt, dass es keine Preisabsprachen in der Branche gibt, dennoch gibt es immer wieder Zweifel. Wenn ich mir den Strommarkt ansehe, dann wurden irgendwann die Stromerzeuger vom Vertrieb und den Netzen abgekoppelt.
Vielleicht ist es eine langfristige Überlegung in den vollintegrierten Konzernen, dass man sich jetzt lieber von seinem Tankstellennetz trennt und damit das Unbundling in einem Akt des vorauseilenden Gehorsams schon einmal vorwegnimmt. Für uns bei der AVIA ist das aber kein Thema, aber wir sind eben auch nicht vollintegriert und betreiben keine eigenen Raffinerien.
EID: Mit 7-Eleven hat ein weiterer Betreiber von Convenience-Shops den Eintritt in den deutschen Markt angekündigt. Sehen Sie darin eher eine Konkurrenz zu den eigenen Shopangeboten oder eine Perspektive für eine Zusammenarbeit? In Skandinavien betreibt das Unternehmen ja bereits zahlreiche Tankstellenshops...
Holger Mark: Der deutsche Convenience-Markt gehört zu den kompliziertesten, die man sich vorstellen kann. Es gibt immer wieder Player, die in anderen Ländern erfolgreich sind, dann aber mit ihren Konzepten im deutschen Markt scheitern. Aktuell kann ich mir eine Zusammenarbeit nicht vorstellen, aber wenn sie im deutschen Markt Fuß fassen und sich als Geschäftspartner etablieren, dann kann es schon sein, dass sich in fünf oder sechs Jahren die Wege mal kreuzen. Vielleicht haben sie dann Lösungen, die wir gerade suchen. Wir werden sehen.
EID: Themenwechsel. Sie haben vorhin ja schon die Digitalisierung angesprochen. Inzwischen gibt es immer mehr mobile Zahlungsfunkionen und Angebote. AVIA hat eine eigene App und sich auch am Zahlungsdienstleister Fillibri beteiligt, nun werden die Funktionen ausgebaut. Was versprechen Sie sich von Ihrem Engagement in diesem Segment?
Holger Mark: Einiges. Wir haben uns bewusst für einen Einstieg bei Fillibri entschieden, weil wir unseren Kunden hier eine markenübergreifende Lösung bieten können. Mit payvia haben wir zwar auch eine tolle eigene App für unsere Stammkunden, aber wir müssen eben auch akzeptieren, dass sich nicht alle Kunden verschiedene Apps auf ihrem Handy installieren wollen, damit sie an der Tankstelle bezahlen und andere Services nutzen können. Bei Fillibri sind wir mit Westfalen und HEM zusammen nun drei Gesellschafter, und wir alle sind der Auffassung, dass eine branchenweite App benötigt wird. Ich denke es ist kein Geheimnis, wenn ich sage, dass zwischen der klassischen Bezahlfunktion am Kassenterminal und der Benutzung solcher Apps noch eine große Lücke besteht, aber es ist wichtig, jetzt in diese Technologien zu investieren und sie weiter zu entwickeln. Vor allem Flottenbetreiber profitieren jetzt schon von der digitalen Belegerfassung, die dann einfach an die Buchhaltung weitergeleitet werden kann.
Wichtig ist aber, dass sich solche Tools intuitiv bedienen lassen, sonst werden sie nicht genutzt. Neben dem Tankvorgang lässt sich inzwischen auch die Autowäsche über die App abwickeln. Zum Beispiel das Kaffeeangebot digital bestellbar zu machen, ist ein lange verfolgtes Ziel an der Tankstelle. Nach unserer Einschätzung wäre das genau das Angebot für Kunden, die schnell wieder weiterwollen. Wichtig ist aber, dass die Erwartungshaltung der Kunden auch erfüllen zu können. Wer über die App etwas bestellt, der erwartet, dass es bereitsteht, wenn er den Shop betritt. Denn wenn das nicht funktioniert, bleibt nur Enttäuschung.
EID: So komfortabel das Angebot auch sein mag, es läuft ein wenig konträr zudem Trend, dass Tankstellenbetreiber die Verweildauer im Hinblick auf den Hochlauf der E-Mobilität eigentlich erhöhen wollen.
Holger Mark: Ja, es ist richtig, wenn ich mein Auto auflade, muss ich länger verweilen, als wenn ich auftanke. E-Mobilität bedeutet für uns als Betreiber aber auch, dass wir unsere Tankstellen vielleicht sogar ganz neu konzeptionieren müssen, weil wir eben oft nicht genug Platz für zusätzliche Ladesäulen haben. Aber unabhängig davon brauchen wir natürlich auch attraktive Shop- und Bistroangebote, wobei ich auch hier eine Einschränkung vornehmen möchte: Wenn ich in direkter Nachbarschaft einen Starbucks oder ein anderes Gastronomieangebot habe, dann ist es vielleicht weniger wichtig, hier Prioritäten zu setzen. Dann kann ich an die Thematik anders herangehen, als wenn ich mit meiner Tankstelle in einer Einzellage bin. Die Herausforderung ist es – und das war auch schon in der Vergangenheit so – für alle potenziellen Kundengruppen passende Angebote zu schaffen, ob nun digital oder analog. Viele Kunden kommen inzwischen ja gar nicht mehr zum Tanken zu uns, von daher befinden sich unsere Tankstellen sowieso stetig im Wandel.
Ich denke mit zunehmendem Hochlauf der Elektromobilität wird sich auch das Ladeverhalten verändern, und es wird ein anderes sein, als wir es vom Tanken her kennen. Die meisten Menschen werden dann zu Hause oder am Arbeitsplatz laden. Ich sage immer provokativ, Laden an der Tankstelle wird eine Notlösung werden, so wie Öl zu kaufen. Natürlich werden wir Standorte haben, entlang der Fernstraßen, wo wir mit Schnellladestationen die Ladeinfrastruktur sinnvoll ergänzen können. Das machen wir auch und gehen das verstärkt an. Aber die meisten Ladevorgänge werden nicht an Tankstellen stattfinden. Unseren Erfahrungen zufolge bleiben die meisten Leute während des Aufladens auch bequem in ihren Fahrzeugen sitzen, klappen den Laptop auf und beantworten E-Mails.
Mag sein, dass sich das mit der weiteren Verbreitung von E-Autos ändern wird, aber im Kern werden wir die Funktion einer Tankstelle ja nicht neu erfinden. Wenn die Station ordentlich gepflegt ist und über ein attraktives Angebot verfügt, dann reicht das unseren Kunden. Wir brauchen keine Wohlfühl-Oasen, damit die Menschen länger verweilen. Vielleicht ist es stattdessen sogar sinnvoller, neben der Ladesäule einen Staubsauger zu installieren, damit die Kunden die Ladezeit mit der Fahrzeugreinigung überbrücken können.
EID: Wie sieht es denn mit anderen Kraftstoffalternativen wie zum Beispiel Wasserstoff, HVO100 oder E-Fuels aus?
Holger Mark: Also bei Wasserstoff sehe ich im Pkw-Bereich ehrlicherweise keinen Markt mehr. Anders ist es im Schwerlastverkehr, da könnten Wasserstoff und Brennstoffzelle ein Teil zur Dekarbonisierung beitragen. Aber auch alternative Premiumkraftstoffe wie unser BlueDiesel mit einem Anteil von 33 Prozent regenerativer Energien oder HVO100 werden ihren Beitrag leisten. Beide Kraftstoffe haben wir bereits intensiv im Markt getestet, HVO100 zuletzt ja nur in geschlossenen Benutzergruppen. Mit der neuen Verordnung des Bundesumweltministeriums besteht nun die Chance, dass HVO100 zeitnah im nächsten Jahr auf den Markt kommen kann. Auch bei anderen synthetischen Kraftstoffen sind wir sehr daran interessiert, diese relativ schnell zur Marktreife weiterzuentwickeln, deshalb sind wir ja auch Mitglied der eFuel-Allianz geworden und engagieren uns in diesem Bereich. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Kunden ein nachhaltiges Produkt suchen, das lagerbar ist, über eine hohe Energiedichte verfügt und unabhängig von irgendwelchen Stoßzeiten zur Verfügung steht. Die Schwierigkeit, die wir dabei aber immer wieder haben, ist die begrenzte Anzahl an Tanks an unseren Tankstellen. Das macht die Einführung neuer Produkte nicht gerade einfacher.
EID: Heißt das, dass die Tankstelle am Ende der limitierende Faktor bei der Dekarbonisierung des Verkehrssektors ist?
Holger Mark: Nein, lediglich die begrenzte Anzahl an Lagertanks an Tankstellen können punktuell einen limitierenden Faktor für eine Angebotserweiterung darstellen. Wir müssen uns überlegen, ob wir künftig weiterhin E5 und E10 an den Tankstellen parallel vorhalten wollen oder aus Umweltgesichtspunkten nicht einfach auf Super E5 verzichten können. In Österreich wird der Wechsel jetzt flächendeckend vollzogen, und auch hierzulande haben wir genügend Stichproben genommen, um sagen zu können, dass keine Fälle bekannt sind, wonach E10 für die Motoren schädlich wäre. Beim Neubau einer Tankstelle kann ich das Tankfeld entsprechend planen, aber für die Bestandsanlagen hätte ich mit einem solchen Schritt etwas mehr Flexibilität gewonnen, um neue Produkte auf den Markt bringen zu können.
EID: Ab 2035 wird nach den Plänen der EU das Verbot für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotor greifen. Etwa 15 Jahre später dürfte der TÜV die meisten Bestandsfahrzeuge aus dem Verkehr gezogen haben. Können Sie skizzieren, wie die AVIA dann aussehen wird?
Holger Mark: Diese Frage stellen wir uns tatsächlich gerade aktiv, denn wir sind nun wieder in einem Strategieprozess und auch wenn es ein langer Zeithorizont ist, so ist doch klar, dass sich bei den nun definierten Veränderungen das Geschäftsmodell massiv verändern wird. Der Umfang unseres klassischen fossilen Energiegeschäfts wird deutlich zurückgehen und durch andere Technologien ersetzt werden müssen. In diesen Wandel müssen wir jetzt investieren und diese Themen – ähnlich wie bei der Digitalisierung – jetzt besetzen. Als AVIA werden wir weiterhin in Deutschland ansässig sein und uns als Partner für Mobilität und Energie verstehen. Wir sind kein Industrieunternehmen, das seine Produktion einfach ins Ausland verlagern kann. Unsere Kunden brauchen gute Lösungsansätze und die müssen wir ihnen bieten, damit sie uns auch in Zukunft die Treue halten und den Wandel bewerkstelligen können. Unseren AVIAten müssen wir dafür multiplizierbare Lösungen und Produkte anbieten. Ich sehe die Entwicklung nicht als Disruption, sondern als Transformation, und diese Transformation hat der Mittelstand schon immer gut hinbekommen.
EID: Vielen Dank für das interessante Gespräch, Herr Mark!