Newcomer auf dem deutschen Windmarkt sind rar geworden. Gab es Anfang der 1990er Jahre noch rund drei Dutzend Anbieter, so verteilt sich das Geschäft auf mehr oder weniger rund ein halbes Dutzend sogenannter OEM. Marktkonsolidierung heißt der Euphemismus. Deshalb war die Situation für Markus Becker auf den „Windenergietagen NRW“ in Bad Driburg Mitte November nichts Neues: Hierzulande führende Windturbinenhersteller stellten ihre neuen Flaggschiffe vor, mit 6 Megawatt und mehr Generatorleistung sowie einem Rotordurchmesser von 175 Metern. „Nicht unsere Liga“, sagt der Geschäftsführer der Windwise GmbH aus Münster, „gegen diesen Riesen wirken wir mit unserem Konzept wie Zwerge.“
Was stimmt: Die von dem westfälischen Ingenieurbüro entwickelte „Maxcap-Turbine“ bringt es lediglich auf 2,3 MW Leistung und 141 Meter Rotordurchmesser. Windwise ist kein klassischer Hersteller, sondern eine Entwickler-Schmiede, die versucht, neue Konzepte via Lizenzen in den Markt zu bringen.
Auf das Konzept „Weniger Leistung ist mehr“ setzt Windwise ganz bewusst. Becker und seine knapp zwei Dutzend Kollegen wissen, was sie tun. Alle sind mehr als zwei Jahrzehnte in der Windtechnik tätig. Diplomingenieur Becker selbst entwickelte für den GE-Konzern federführend die Plattform für die 1,5-MW-Maschine, die weltweit meistverkaufte Anlage in ihrer Größenklasse. Später managte er das Entwicklungsteam beim deutsch-indischen Windturbinenhersteller Kenersys, der seine Aktivitäten in Deutschland 2014 einstellte.
„Schon zu Kenersys-Zeiten entstand die Idee für eine Anlage, bei der nicht immer das Mehr an größerer Leistung und höheren Türmen im Mittelpunkt stehen sollten“, erzählt Becker. Die Philosophie von Windwise für die „Maxcap-Turbine“ steckt in dem Wörtchen „Grundlastoptimierung“. Denn die Anlage ist so ausgelegt, dass sie die vor Ort vorhandenen Netzkapazitäten besser ausnutzen kann, Abschaltungen durch den Netzbetreiber dürften eine Seltenheit sein.
Was wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt, erklärt Geschäftsführer Becker: „Für uns sind nicht die Starkwindzeiten interessant, wenn das Gros der hierzulande laufenden Windturbinen infolge von Zigmillionen eingespeister Kilowattstunden die Strompreise deutlich drücken und Abschaltungen drohen, sondern eher niedrigere und mittlere Windgeschwindigkeiten“. Unter dem Strich liege der Kapazitätsfaktor der neuen Anlage, eine in der Windtechnik entscheidende Effizienzgröße, bei über 40 Prozent – was vergleichbar ist mit dem Niveau von Offshorewind-Maschinen.
Deshalb eignet sich die neue Windturbine made in Westfalen nach Worten von Markus Becker neben der Optimierung bestehender Windparks – sofern Flächen und Abstände es zu lassen – vor allem für die Eigenstromerzeugung von mittelständischen Industrie- und Gewerbebetrieben: „Abhängig vom Standort lassen sich mit der Maxcap-Anlage jährlich zwischen 7 und 11 Millionen kWh erzeugen, was schon eine Hausnummer ist.“
Möglich gemacht haben die Entwicklung des Prototyps europäische Fördermittel aus dem EFRE-Programm sowie Gelder des Landes NRW. Das Maschinenhaus selbst ist bereits umfassend im Labor des Center for Windpower Drives an der RWTH Aachen getestet worden. Die Probe auf Exempel, ob all ihre Berechnungen stimmen, wollen die Westfalen im kommenden Sommer starten. In Lienen zwischen Münster und Osnabrück wird der Prototyp dann endlich errichtet.
Die Bentec Drilling & Oilfield Systems aus Bad Bentheim, ein Tochterunternehmen der schottischen KCA-Deutag-Gruppe, die wiederum zu den ganz Großen der internationalen Öl- und Erdgasindustrie gehört, hat die erste Lizenz der neuen Schwachwindturbine erworben. Beide Unternehmen haben zwischenzeitlich eine langfristige Technologiepartnerschaft vereinbart, die es der Bentec ermöglicht, sich als Windenergieanlagenhersteller im In- und Ausland zu etablieren.
Den Einstieg in die Windkraft begründet der bei Bentec für dieses neue Geschäftsfeld zuständige Dirk Bäumker gegenüber dem EID so: „Wir werden den Weg der Energiewende mitgehen und haben unser Produktportfolio durch die Eigenentwicklung eines Batteriespeichersystems und eines Elektrolyseurs erweitert. Durch die Zusammenarbeit mit Windwise werden wir in Zukunft zusätzlich die Windkraftanlage zusammen mit unseren Produkten als Gesamtlösung wie auch als Einzelprodukt in unser Verkaufsportfolio aufnehmen.“ Im Gesamtpaket ließen sich mit dem Strom der maxcap-Windturbine das Batteriespeichersystem und der Elektrolyseur „hervorragend“ betreiben.
Bei der angestrebten Absatzzahl schweigt sich Bäumker indes aus. Beim Vertriebsgeschäft will Bentec nicht nur von seinem weltweiten Netzwerk profitieren, sondern setzt auch einen meteorologischen Schwerpunkt: „Wir werden Fokus auf Regionen mit Schwachwindverhältnissen, d.h. durchschnittlichen Jahreswindgeschwindigkeiten von weniger als 6,5 Metern pro Sekunde konzentrieren. Zu solchen Regionen zählen beispielsweise das Sultanat Oman oder die Vereinigten Arabischen Emirate“, deutet Bäumker erste Absatzländer an, in denen es auch – sicherlich kein Zufall - reichlich Öl gibt.
Bei der ersten Lizenz will es die Windwise-Crew in Münster nicht belassen: „Wir sind gekommen, um mit unserem Konzept zu bleiben“, betont Geschäftsführer Markus Becker selbstbewusst.