Die Axpo Gruppe, die als größter Energieversorger in der Schweiz auch zu Europas größten Energiehändlern zählt, bereitet sich schrittweise auf den Einstieg in das Wasserstoff-Geschäft vor.
„Wir werden erste Projekte quasi als Sprungbrett im eigenen Land umsetzen, da wir diese bereits seit einigen Jahren entwickeln und sie somit am weitesten fortgeschritten sind. Wir arbeiten auch an diversen Projekten in unseren Auslandsmärkten, diese befinden sich aktuell aber noch in einem früheren Stadium“, beschreibt Philipp Näf die unternehmensinterne Strategie. Im vergangenen Jahr hat Näf, der zuvor jahrelang für die Unternehmensstrategie gearbeitet hat, als „Lead Market Intelligence Hydrogen“ das Wasserstoff-Team mit aufgebaut, dem mittlerweile bereits acht Mitarbeiter angehören.
Dass Axpo die ersten Pilotvorhaben im eigenen Land realisieren will, hängt eng mit der „Asset base“-Philosophie zusammen. Sprich, die Axpo will den für die Wasserumwandlung notwendigen Ökostrom aus eigenen Kraftwerken gewinnen.
Was bei dem Projekt am Wasserkraftwerk Wildegg-Brugg (Kanton Aargau) der Fall ist. Direkt an dem 50-MW-Wasserkraftwerk an der Aare soll bis Frühjahr 2024 ein Elektrolyseur mit bis zu 15 MW Leistung errichtet werden. Über eine noch zu bauende Leitung soll ein Teil der so jährlich produzierten 2.000 Tonnen Wasserstoff an die Voegtlin-Meyer AG geliefert werden, einen in der Schweiz bekannten Heizölhändler und Betreiber von Tankstellen. Voegtlin-Meyer hat angekündigt, eine Wasserstofftankstelle bauen zu wollen. Was nahe liegt: Denn das Traditionsunternehmen versorgt auch eine Reihe der heutigen Tankstellen für die PostAuto-Busse, einem der wichtigsten öffentlichen Verkehrsmittel in der Schweiz. Im Rahmen einer Dekarbonisierung-Strategie sollen bis 2024 in einem ersten Schritt insgesamt 100 Batterie- und Brennstoffzellenbusse eingesetzt werden. Bis 2040, so der Plan, sollen dann alle Postautos nur noch mit CO2-freien Antrieben unterwegs sein. Wasserstoff spielt bei diesen Überlegungen eine nicht unwichtige Rolle.
Was zur Strategie von Philipp Näf und der Wasserstoff-Abteilung von Axpo passt: „Als einen unserer ersten Absatzmärkte sehen wir die Mobilität, insbesondere LKWs und öffentliche Busse.“ Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass der südkoreanische Hyundai-Konzern die Schweiz sozusagen als Schaufenster in Europa für den eigens entwickelten Wasserstoff-Lkw auserkoren hat. Bis 2025 sollen nach den Vorstellungen des Hyundai-Managements 1.600 H2-Lkw durch die Alpenrepublik rollen. Axpo-Mann Näf: „Für den Wasserstoff ist das ein kontinuierlicher Absatz mit vielen lokalen Abnehmern.“ Allerdings räumt Näf ein, dass der Betrieb von Busflotten leichter planbar sei, weil LKW sehr viel individueller eingesetzt werden und niemand abschätzen könne, wo sie nun genau tanken werden.
Neben dem Mobilitätssektor sieht der H2-Experte vor allem in der Industrie, allen voran bei Chemie- und Düngemittelherstellern sowie Raffinerien, potentielle Kunden für grünen Wasserstoff: Für deren NetZero-Emissions-Pläne drängt sich Wasserstoff geradezu auf, wobei wir mitunter grauen durch grünen Wasserstoff ersetzen.
Auf eine ähnliche Kundenklientel setzt Axpo auch bei künftigen Auslandsprojekten. „Aufgrund der langen Entwicklungszeiten würde ich mit der Realisierung von größeren Projekten im Ausland eher in der zweiten Hälfte dieser Dekade rechnen“, skizziert Näf den Zeitplan.
Neben Frankreich, Spanien und Skandinavien wollen die Eidgenossen auch in Deutschland künftig Wasserstoff-Kunden bedienen. Erste kleinere Projekte seien dabei schon vor Ende dieser Dekade vorstellbar, sagt Näf: „Unser deutsches Tochterunternehmen Volkswind betreibt mehrere Windparks, die demnächst sukzessiv aus der EEG-Vergütung fallen werden. Im Falle eines Weiterbetriebs ließe sich der Strom aus solchen Altanlagen durchaus für erste dezentrale Wasserstoff-Projekte nutzen“, so Näf.
Neben dem Test- und Pilotmarkt Schweiz will Axpo in den kommenden Jahren erste Erfahrungen mit Wasserstoff-Projekten im äußersten Nordwesten Europas gewinnen, nämlich auf Island. Im vergangenen Spätherbst hat sich das Energieunternehmen mit 25 Prozent an der Swiss Green Gas International AG (SGGI) beteiligt. Die SGGI plant und realisiert Power-To-X-Anlagen in Nordeuropa und auf der Vulkaninsel, die aus erneuerbarem Strom Wasserstoff und synthetisches Methan erzeugen.
„Island hat geothermische Energie und Wasserkraft im Überfluss, da bietet sich die Wasserstoffherstellung einfach an“, sagt Philipp Näf. Das auf der Insel erzeugte synthetische Methan soll per Schiff Richtung Kontinentaleuropa transportiert. „Über Abnehmer müssen wir uns sicherlich keine Gedanken machen“, sagt Axpos Wasserstoff-Experte Näf, „wir gewinnen durch diese Beteiligung weiteres Know-how in diesem für uns so wichtigen Zukunftsfeld.“