Die norwegische Statkraft hat ihr Erneuerbaren-Projektgeschäft in Deutschland neu aufgestellt. Die Struktur sieht nun vier Regionen vor, in denen die Aktivitäten für Projektakquise und -Entwicklung zusammengefasst wurden. In Lingen in Niedersachsen, Schweinfurt in Bayern, am Umwelt- Campus Birkenfeld in Rheinland-Pfalz und in Berlin wurden neue Standorte für die Bereiche Nord, Süd, West und Ost eröffnet. Über die Hintergründe der Neuorganisation sprach der EID mit Claus Urbanke, Leiter der Wind-, Solar- und Speicherentwicklung bei Statkraft in Deutschland.
EID: Herr Urbanke, zur Einordnung, auf welche Größenordnung kommt die Erneuerbaren- bzw. Speicher-Projektpipeline bei Statkraft Deutschland – bzw. welche näheren Akquise-Zielen verfolgen Sie?
Claus Urbanke: Wir arbeiten an einer Pipeline von insgesamt rund 4.000 MW. Das sind über 100 Wind- und Solar- sowie Speicherprojekte. Davon sind einige noch frühphasig, jedoch haben wir für etwa 1.600 MW bereits die Flächen über Pachtverträge gesichert.
Darüber hinaus setzen wir auf die Akquisition von Bestandsportfolien mit Repowering-Potenzial – wie zuletzt mit der Übernahme von 35 deutschen Windparks im August 2023. Durch diese und eine ähnliche Transaktion im Jahr 2021 betreiben wir jetzt über 600 MW Windkapazität, was uns bereits unter die zehn größten Onshore-Windparkbetreiber in Deutschland gebracht hat. In diesem Jahr konzentrieren wir uns vor allem auf die Erneuerung von Bestandparks und die Entwicklung unserer Greenfield-Projekte.
Unser Projekt Zerbst – 45 MW Solar plus 17 MW Batteriespeicher – in Sachsen-Anhalt hat einen Zuschlag in der EEG-Innovationsausschreibung gewonnen. Die finale Investitionsentscheidung ist für Mai 2024 geplant. Zwei weitere Investitionsentscheidungen für Windprojekte stehen ebenfalls für dieses Jahr an: Flechtdorf in Nordhessen mit fünf Windenergieanlagen und Thedinghausen/Beppener Bruch in Niedersachsen mit zwei Anlagen.
Außerdem wollen wir noch im ersten Quartal 2024 für vier weitere Repowering-Windprojekte Genehmigungsanträge einreichen.
EID: Vor diesem Hintergrund haben Sie ihr Projektgeschäft nun umorganisiert. Könnten Sie kurz skizzieren, wie das Statkraft EE-Projektgeschäft in Deutschland zunächst organisiert war?
Claus Urbanke: Wir sind mit dem Projektentwicklungsgeschäft im Herbst 2019 gestartet und haben es in der ersten Phase maßgeblich von unserem Unternehmensstandort in Düsseldorf heraus aufgebaut. Hier haben wir neben der Projektentwicklung vor allem projektübergreifende Steuerungs- und Querschnittsfunktionen in den Bereichen Site Assessment, Arten- und Naturschutz, Project Delivery, Legal etc. installiert.
Unser Ziel war von Anfang an aber auch, die Projektentwicklung schrittweise in die Regionen zu bringen. Wir wussten, dass wir Erneuerbaren-Projekte vor allem dann erfolgreich entwickeln, wenn unsere Teams nah an den Projekten sind und im engen Austausch mit den Interessensgruppen vor Ort stehen – das erfordert auch eine räumliche Nähe. Mit mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in ganz Deutschland war die Eröffnung unserer Regionalbüros der nächste logische Schritt, um unsere Wachstumsziele zu fördern.
EID: Diesen Schritt sind Sie nun gegangen, vor gut einem halben Jahr haben Sie eine Struktur mit vier Regionen geschaffen. Welche Überlegungen genau haben Sie veranlasst, die räumliche Struktur bei Statkraft Deutschland umzuorganisieren? Geht es vor allem um kürzere Distanzen und damit um bessere Kommunikation mit den Kunden, kommunalen Akteuren oder auch ausführende Partnerunternehmen vor Ort?
Claus Urbanke: Wir verbinden mehrere Ziele mit der Strukturierung in vier Regionen: Wir wollen die Projektentwicklung verbessern, indem wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter näher an ihre Projekte bringen – für die Kommunikation mit Landeigentümern, mit den Gemeinden, den lokalen und regionalen Behörden und allen relevanten Interessensgruppen in den geplanten Wind-, Solar- und Speicherprojekten. Darüber hinaus verbessern wir unsere Position für die Gewinnung neuer Kolleginnen und Kollegen und können auch neue Geschäftschancen zielgerichteter verfolgen.
EID: Die dezentralere Aufstellung bringt also auch Vorteile mit Blick auf die derzeit knappe Ressource Mitarbeiter?
Claus Urbanke: Absolut. Hier unterscheidet sich die Projektentwicklungs-Branche vermutlich nicht von anderen. Über unsere Regionalstandorte können wir aber auch die Zusammenarbeit der Teams in den Regionen und den Austausch über ihre Projekte gezielt fördern – das ist wichtig und wird sehr gut angenommen.
Einmal im Monat kommen alle Kolleginnen und Kollegen der Projektentwicklung in Düsseldorf zu unserem ‚Anchor Day‘ zusammen. An diesem Tag besprechen wir strategische, projektübergreifende Themen und nehmen uns viel Zeit für die Team-Entwicklung. Uns liegt am Herzen, dass sich alle als Teil eines großen Teams bei Statkraft fühlen.
EID: Lässt sich durch die Verteilung über das Bundesgebiet zudem die Expertise der lokal zuständigen Teams erhöhen, etwa mit Blick auf regional unterschiedliche rechtliche Vorgaben oder sonstige lokale Besonderheiten? Ganz aktuell neben Genehmigungsfragen beispielsweise auch mit Blick auf die in den Ländern derzeit entstehenden neuen Beteiligungsvorgaben für Bürger und Gemeinden?
Claus Urbanke: Wir haben diese Punkte auch schon vor der Einführung der regionalen Struktur genau verfolgt, denn sie nehmen entscheidenden Einfluss auf unsere Projekte. Richtig ist, dass wir dies mit unseren Teams vor Ort nun noch besser leisten können. Unser Anspruch ist, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur sehr versierte Projektentwickler sind, sondern möglichst eng mit den Gemeinden und Regionen verbunden sind, in denen sie Wind- und Solarparks entwickeln und sukzessive wichtige Netzwerke auch in politische Gremien hinein aufbauen.
EID: Können Sie schon eine erste Bilanz ziehen für die Zeit seit Einführung der neuen Struktur? Gibt es Beispiele etwa für verbesserte lokale Vernetzungen o.ä. bzw. Feedback von Stakeholdern?
Claus Urbanke: In erster Linie ist das Feedback unserer Kolleginnen und Kollegen sehr positiv. Die Möglichkeit, gemeinsam in den Regionalbüros zu arbeiten statt aus dem Home-Office, bewerten alle uneingeschränkt positiv.
Aber auch von Externen haben wir schon viel positiven Zuspruch bekommen und unsere Bekanntheit in den Regionen stark erhöht. In Rheinland-Pfalz zum Beispiel befindet sich unser Büro auf dem „Umwelt Campus Birkenfeld“. Die Synergien mit der dortigen Uni sind offensichtlich, und das Interesse der Professorenschaft und der lokalen Politik an einem Austausch war bereits groß.
Auch in Lingen hat uns bereits der dortige Bürgermeister Dieter Krone mit einem Mitarbeiter aus der Wirtschaftsförderung besucht. Lingen ist immerhin ein Energiestandort und daher das Interesse an Statkraft groß.
EID: Planen Sie, die räumliche Strukturierung noch weiter zu verfeinern?
Claus Urbanke: Aktuell konzentrieren wir uns darauf, das Geschäft aus den bestehenden Regionalstandorten und dem Standort Düsseldorf heraus weiterzuentwickeln. Mit wachsendem Geschäft und Team werden wir diese Möglichkeit kontinuierlich prüfen.
EID: Herr Urbanke, vielen Dank für das interessante Gespräch.