SWN-Chef Böddeker: „Wir dürfen uns nicht zurücklehnen“

Michael Böddeker gilt als Sanierungsexperte und ist seit 2019 Geschäftsführer der in den vergangenen Jahren krisengeschüttelten Stadtwerke Neumünster. Nun scheint das Unternehmen nach einem strengen Konsolidierungskurs in ruhigeres Fahrwasser zu kommen. Bild: SWN

Die Stadtwerke Neumünster sind dank eines strengen Konsolidierungskurses wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt, nachdem das Unternehmen zwei Jahre lang Millionenverluste ausweisen musste. Der EID sprach mit Geschäftsführer Michael Böddeker über die aktuellen Entwicklungen.

EID: Herr Böddeker, Sie sind nun seit rund einem Jahr Geschäftsführer der Stadtwerke Neumünster. Wie hat sich das Unternehmen seither entwickelt?

Böddeker: Wir haben aus unserer Sicht den Turn-Around geschafft und die schwierige defizitäre Vergangenheit hinter uns gelassen. Das Jahr 2019 haben wir mit einem Ergebnis von 1,6 Millionen Euro abgeschlossen. Damit liegen wir 100 Prozent über unserer Prognose. Wir sind sehr stolz auf diese Entwicklung, dürfen uns aber nicht zurücklehnen und gehen mit dem Ergebnis sehr vorsichtig und sachlich um. Denn natürlich sind wir noch längst nicht da, wo wir bei einem Unternehmen unserer Größenordnung hinwollen. Wesentlich ist, dass wir die Aufbruchsstimmung, die ich persönlich an vielen Stellen im Konzern wahrnehme, jetzt weiter erhalten. Die historisch gewachsenen Strukturen und das Spartendenken müssen zugunsten eines neuen Miteinanders aufgelöst werden und zu einer Einheit zusammenwachsen. Da sehe ich uns auf einem guten Weg.

EID: Das klingt recht positiv, aber dennoch verlief die Entwicklung in den einzelnen Geschäftsbereichen sehr unterschiedlich.

Böddeker: Ich denke, wenn man das insgesamt über alle Bereiche betrachtet, dann hat man im Bäderbetrieb und beim Verkehr eine Situation, die nur bedingt beeinflussbar ist. Hier kann man allenfalls nur die Verluste (zusammen insgesamt 6,1 Millionen Euro, die Red.) stabil halten. Auch beim Stromabsatz haben wir deutliche Verluste, aber das ist eigentlich eine gute Entwicklung. Zwar haben wir gegenüber 2018 rund 300 Millionen Kilowattstunden bei den Geschäftskunden verloren, aber von diesen defizitären Geschäften haben wir uns gern getrennt, weil sie uns letztlich  keinen Ertrag gebracht haben. Damit uns das nicht nochmal passiert, haben wir den Energieeinkauf optimiert und begrenzen durch regelmäßige Überprüfungen unseres Einkaufsverhaltens das Risiko.

EID: Neben dem Energiehandel galt ja auch die Telekommunikation lange als Sorgenkind?

Böddeker: Mit der Telekommunikation sind wir wirklich sehr zufrieden. Im vergangenen Jahr haben wir uns nochmals alle Prozesse angesehen und verbessert. Durch diese Prozessverschlankung konnten wir geschätzt noch einmal zwei Millionen Euro einsparen. Inzwischen versorgen wir etwa 50.000 Glasfaserkunden in 250 Gemeinden in Schleswig-Holstein und wollen dieses Geschäft auch noch weiter ausbauen.

EID: Sie wollen beim Glasfaserausbau also das Tempo steigern?

Böddeker: Ursprünglich wollten wir die Stadt Neumünster bis 2030 vollständig mit Glasfaser ausgebaut haben. Unsere jetzige Planung sieht vor, dieses Ziel sechs Jahre nach vorne zu verschieben und Ende 2024 einen Komplettausbau in der Stadt zu erreichen.


Neumünster schreibt wieder schwarze Zahlen

Die Stadtwerke Neumünster haben im letzten Jahr einen Jahresüberschuss von 1,6 Millionen Euro erwirtschaftet und 260 Millionen Euro umgesetzt. In den Jahren zuvor waren 2017 aufgrund von Fehlspekulationen im Energiehandel und unerwartet gestiegenen Tiefbaukosten beim Glasfaserausbau 5,5 Millionen Euro Verlust und 2018 ein Fehlbetrag von 4,4 Millionen Euro ausgewiesen worden. Dies hatte das Unternehmen in eine tiefe Krise gestürzt und eine weitere Finanzierung des Kommunalversorgers gefährdet. Inzwischen hat sich die Eigenkapitalquote des Unternehmens um 1,5 Prozent auf 29 Prozent verbessert und damit ein aus Bankensicht akzeptables Niveau erreicht. Heute setzen die Stadtwerke Neumünster jährlich rund 450 Millionen kWh Strom und knapp 715 Millionen kWh Gas ab.


EID: In der Vergangenheit wurde Neumünster für seine Glasfaserinvestitionen oft kritisiert…

Böddeker: Ich bin fest davon überzeugt, dass in zehn Jahren niemand mehr unsere Glasfaser-Investitionen von heute hinterfragen wird. Schauen Sie, in den Nachkriegsjahren wurden Strom- und Gasleitungen verlegt. Das war im Vergleich zu Glasfaser extrem teuer. Das kritisiert heute niemand mehr. Darüber hinaus wollen wir mit unserer Expertise unsere Dienstleistungen auch anderen Kommunen in einem Partnermodell zur Verfügung stellen. Noch in diesem Jahr werden wir uns als Internetprovider qualifizieren und künftig den Datenverkehr in unseren Glasfasernetzen selbst abwickeln.

EID: Für ein kommunales Unternehmen klingt das sehr engagiert. Strahlt das auch auf andere Bereiche aus?

Böddeker: Das zeigt das neue Selbstverständnis des Unternehmens und die Qualität, mit der die einzelnen Bereiche ihre Aufgaben angehen. Beim Energievertrieb haben wir beispielsweise eine große Reorganisation hinter uns und die Bereichsleitung neubesetzt. Jetzt haben wir das Produktportfolio neu aufgestellt. Zwar werden wir dadurch in den kommenden Jahren möglicherweise noch Mengen verlieren, aber wir haben uns Mindestmargen gesetzt, die wir bei Kunden realisieren wollen. Ergänzt wird das Angebot durch weitere Dienstleistungen und sonstige Produkte, die wir über ein neues Produktmanagement entwickeln oder zukaufen und anbieten werden.

EID: Damit allein kommt man aber noch nicht in die schwarzen Zahlen, oder?

Böddeker: Nein, wesentlicher Treiber ist der kaufmännische Bereich gewesen, den wir innerhalb des letzten Jahres komplett neu aufgestellt haben. Ziel ist es gewesen, unerwartete Überraschungen zu vermeiden. So wie wir das bei den Zahlen für 2017 erlebt haben, darf es nicht mehr vorkommen. Heute bekommen wir zeitnah verlässliche Prognosen für die Steuerung des Konzerns. Auch im Bereich der IT-Systeme haben wir verschiedene Subsysteme auf ein zentrales ERP-System konsolidiert und damit Hinblick auf die Finanzdaten die Zuverlässigkeit und Datenintegrität erhöht. Unsere Kennzahlen können wir nun aus einem zentralen System abrufen. Wo immer es möglich war, haben wir Schnittstellen digitalisiert, um menschliche Übertragungsfehler künftig zu vermeiden und Zeit zu sparen. Insgesamt wurde die Komplexität der Strukturen aufgelöst. Dazu gehört auch, dass wir extern vergebene Aufgaben wieder zurückholen und über die eigene IT abwickeln. Das hat auch geholfen, um innerhalb von nur neun Tagen bei aufziehender Corona-Pandemie 350 Home-Offices einzurichten.

EID: Herr Böddeker, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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Artikel Redaktion EID
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