Mit batteriegepufferten Schnellladesäulen will Jolt Energy die Ladeinfrastruktur in urbanen Regionen massiv ausbauen und hat dafür vor allem Tankstellenbetreiber und Verbrauchermärkte als Partner im Blick. Der EID sprach mit Unternehmensgründer Maurice Neligan über die Technologie und die Ausbaupläne.
EID: Herr Neligan, Sie haben sich mit Ihrem Start-up Jolt Energy zum Ziel gesetzt, schnell ein eigenes Ladenetz aufzubauen. Was ist Ihre Intention dabei?
Maurice Neligan: Wir sind ein junges Unternehmen, aber wir haben ein sehr erfahrenes Management. Die meisten unserer Mitarbeiter haben zuvor bei großen internationalen Konzernen in der Automobilindustrie oder bei Technologieunternehmen gearbeitet. Nun verknüpfen wir die Erfahrungen aus beiden Welten. Uns war schnell klar, dass die bestehende Ladeinfrastruktur mit AC-Säulen veraltete Technik ist. Zwar gibt es inzwischen auch die von Tesla und Porsche eingeführte DC-Technologie, das reicht in den urbanen Räumen aber kaum aus. So haben wir in Kooperation mit unserem Technologiepartner ADS-TEC die Ladesäulen und Batteriepuffer als Ultra-Schnelllademöglichkeit entwickelt. Nach unserer Analyse leben 72 Prozent der Menschen in Europa in urbanen Räumen und für die und deren Elektrofahrzeuge brauchen wir schnelle Lademöglichkeiten. Autofahrer sind es gewohnt, schnell tanken zu fahren. Dies erwartet man nun auch vom E-Auto. Wir kommen also von der Kunden- und nicht von der Industrieseite. Viele unserer Wettbewerber sind kommunale Ladesäulenbetreiber und die verfolgen als Energieversorger nur ein Ziel, Strom zu verkaufen. Wir wollen aber die Benutzerfreundlichkeit und die Ladegeschwindigkeit erhöhen. Und zukünftig auch, dank unserer speicherbasierten, mobilen Schnellladelösung „MerlinOne“, das Thema DOOH (Digital Out of Home) in die Städte bringen. Dank integrierten 75 Zoll Screens schaffen wir die Möglichkeit, eine exklusive Zielgruppe direkt anzusprechen.
EID: Im vergangenen Jahr haben Sie die ersten Schnellladesäulen an Esso-Stationen in Betrieb genommen. Wie geht es nun weiter?
Maurice Neligan: Wir arbeiten seit vier Jahren eng mit EG, dem deutschen EssoMarkenpartner zusammen und haben so die Tankstellen als Einsatzgebiet für uns entdeckt. Im letzten Jahr haben wir die ersten 20 Ladesäulen bei Esso installiert und dabei viele Erfahrungen gesammelt. Dabei haben wir uns auf neun Großstädte konzentriert, um unsere Grenzen zu testen und zu sehen, wie wir die Anlagen auch aus der Ferne managen können. Jetzt können wir neue Partner suchen, haben aber keine Exklusivität im Markt. Wir sind mit vielen Tankstellenbetreibern, aber auch mit Supermärkten, Baumärkten und Kommunen im Gespräch. Bis Ende 2024 wollen wir in den deutschen Ballungsgebieten rund 500 Schnellladesäulen errichten. Weltweit wollen wir in den nächsten vier bis fünf Jahren zwischen 3.000 und 5.000 Ladesäulen installieren. Dabei nehmen wir neben Deutschland auch sechs weitere europäische Länder und Nordamerika ins Visier.
EID: Das klingt recht ambitioniert. Wie viel Geld werden Sie in den Ausbau Ihres Ladenetzes investieren und wie wollen Sie das finanzieren?
Maurice Neligan: Wir rechnen mit Investitionskosten in Höhe von 500 bis 600 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren. Ein Großteil ist finanziert durch Infrastrukturfonds.
EID: Was zeichnet Ihr System aus? Wie ist eine typische Jolt-Ladesäule aufgebaut, und welche Leistung hat der Batteriespeicher?
Maurice Neligan: Das Wichtigste ist nicht der Batteriespeicher, sondern die Ladeleistung. Bei der Ladeleistung bieten unsere Säulen 320 kW und das bedeutet, zwei Autos können mit 160 kW geladen werden oder eines mit 320 kW. Das ist für die aktuelle Fahrzeuggeneration vielleicht etwas viel, aber nach unseren Prognosen laden die Fahrzeuge immer schneller und können teilweise schon jetzt mit mehr als 200 kW geladen werden. Fakt ist, die Anforderungen ziehen immer mehr an. Im Endeffekt brauchen wir eine hohe Ladeleistung, um auch für zukünftige Ansprüche gewappnet zu sein.
EID: Wie lange dauert die Aufladung des Batteriespeichers?
Maurice Neligan: Viele denken, die Batterie sei irgendwann leer und dann können keine Fahrzeuge mehr geladen werden. Faktisch nehmen wir die Leistung aber überwiegend aus dem Stromnetz und lasten die Batterie eigentlich nie zu 100 Prozent aus. Wenn ein E-Auto mit 150 kW geladen werden kann, dann kommen 100 kW aus dem Netz und die restlichen 50 kW steuert dann die Batterie bei.
Wir haben eine sehr starke Nachfrage an unseren Ladesäulen, die ist fast doppelt so hoch, wie im Branchendurchschnitt. Dadurch haben wir sehr verlässliche statistische Daten und können sagen, dass nur in 0,4 Prozent der Zeit die Batterie mal kurzfristig leerlaufen kann, aber die Basisversorgung kommt weiterhin aus dem Netz. Dadurch können wir eine sehr zuverlässige Ladelösung anbieten.
EID: Welche Kosten kommen auf Tankstellenbetreiber zu, wenn diese eine Schnellladesäule von Ihnen errichten wollen, und wie wird der Ladestrom für die Kunden abgerechnet?
Maurice Neligan: Wir sind ein so genannter CPO, ein ChargePoint-Operator. Aber wir stellen nicht nur die Software bereit, sondern liefern auch die notwendige Hardware. Für die Tankstellenbetreiber übernehmen wir das „heavy lifting“ und bezahlen die Ladesäule und die Installation für die Tankstellenbetreiber. Die Kunden rechnen dann über eine Ladekarte von Esso, Shell oder EnBW direkt an unserer Säule ab. Wir sind Teil eines Netzwerks und können eine Vielzahl von Ladekarten akzeptieren. Je nach Vertragsgestaltung erhält der Tankstellenbetreiber dann von uns eine Umsatzbeteiligung oder eine Miete für die Parkplätze an der Ladesäule. Zudem bekommen die Tankstellenbetreiber von uns zusätzliche Kunden. Normalerweise besuchen die Fahrer von Elektroautos keine Tankstellen. Tatsächlich aber zeigen unsere Nutzungsdaten eine hohe Verweildauer unserer Kunden an den Tankstellen. Man bleibt oft 30 Minuten vor Ort. Zuvor hatten wir vermutet, es wird für ein paar Kilometer geladen und fährt anschließend wieder vom Hof.
EID: Aus der Tankstellen-Branche hören wir, dass die Installation von Schnellladesäulen sehr aufwendig ist. Meist fehlt der Netzanschluss und das macht die Installation sehr kostspielig und zeitintensiv. Ist das Stromnetz der eigentliche Flaschenhals?
Maurice Neligan: Ja, das ist richtig. Unsere Energienetze sind vor 80 Jahren konzipiert worden, um Ein- und Mehrfamilienhäuser sowie Kleingewerbe zu versorgen. Niemand hat damals daran gedacht, dass einmal Autos kommen werden, die teilweise den Energiehunger eines Mehrfamilienhauses haben. Deshalb fehlen im Verteilnetz auf der Niederspannungsebene oftmals die Kapazitäten. Besser sieht es im Mittelspannungsnetz aus, aber dort haben wir kein so dichtes Netz. Würden wir beispielsweise an unserem Münchener Büro eine Schnellladesäule auf der Mittelspannungsebene errichten wollen, müssten wir wohl erst einmal eine 600 Meter lange Anschlussleitung bis ans Mittelspannungsnetz verlegen. Dann bräuchten wir noch einen Trafo und mindestens sechs bis zehn Parkplätze an der Ladesäule, um den Standort wirtschaftlich betreiben zu können. So viel Platz haben wir im urbanen Umfeld meist gar nicht. Dank unseres Batteriepufferspeichers können wir unsere Ladesäulen auch im Niederspannungsnetz betreiben und sparen dadurch Platz auf der Fläche sowie Anschlusskosten.
EID: Ist das der Grund, warum Sie nun vor allem Tankstellenbetreiber als Partner für ihren Netzausbau suchen?
Maurice Neligan: Ja, die meisten Tankstellen sind ja nur ans Verteilnetz angeschlossen, und es gibt auch nur sehr wenige Standorte, die groß genug sind, um dort eine HPC-Anlage mit einem Mittelspannungsanschluss und Trafo zu installieren. Auf einer Tankstelle gibt es durch die ATEX-Zone und die unterirdische Infrastruktur ja auch viele räumliche Einschränkungen, wo keine Elektroanlagen installiert werden dürfen. Oft bleiben nur zwei bis maximal vier mögliche Parkplätze für eine Ladesäule übrig. Aber wir haben mittlerweile ein sehr gutes Verständnis für die Installation von Ladesäulen an diesen Standorten entwickelt, und das kommt in der Branche gut an.
EID: Aus der Automobil-Branche gibt es immer wieder Kritik, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur viel zu langsam voranschreitet. Es dauert teilweise bis zu zwei Jahre, bis eine Ladesäule errichtet ist. Was sind die Ursachen dafür?
Maurice Neligan: Das Nadelöhr ist einerseits der Netzanschluss. Teilweise brauchen Netzbetreiber wirklich sechs Monate und mehr, um einen Netzanschluss herzustellen. Das ist nicht akzeptabel, denn für die Verteilnetzbetreiber ist es im Grunde minimaler Arbeitsaufwand. Aber man muss auch einräumen, dass bei den Bauunternehmen ebenso Kapazitätsengpässe herrschen. Es sind also nicht immer nur die örtlichen Netzbetreiber für Verzögerungen verantwortlich. Das ist auch ein Grund, warum wir unser System entwickelt haben. Mit unserer Technologie können wir sehr einfach eine Schnellladesäule errichten und haben nur etwa ein Zehntel des Installationsaufwands, den andere Wettbewerber haben.
EID: Sehen Sie denn Unterschiede zwischen den Netzbetreibern? Was würden Sie sich vom Gesetzgeber oder der Bundesnetzagentur wünschen, damit die Netzanschlüsse schneller zur Verfügung stehen?
Maurice Neligan: Hierzulande gibt es rund 900 sehr unterschiedlich organisierte Verteilnetzbetreiber. Das ist eine Menge. In Frankreich und Großbritannien ist dies beispielweise deutlich einfacher über nationale Netzgesellschaften organisiert. Die kleinteilige und unübersichtliche Organisation in Deutschland führt zu einer Menge unterschiedlicher Regelungen und Herangehensweisen, die für uns als Unternehmen immer wieder zu zeitintensiven Herausforderungen führen. Und das, obwohl es sich hierbei um einen gewöhnlichen Standardprozess handelt, der vor der Inbetriebnahme einer Ladesäule abläuft. Es wäre deshalb hilfreich, wenn Genehmigungsverfahren vereinfacht und technische Anschlussbedingungen vereinheitlicht würden. Das gilt auch für Prozesse und Fristen bei der Inbetriebnahme der Standorte. All das würde massiv bei der Beschleunigung des Ausbaus helfen. Aber wir sind da auf einem guten Weg, denke ich. Man lernt miteinander.
EID: Sie sprachen eben schon den Wettbewerb an. Ist es kein Problem, dass Sie mit Ihrem Angebot im klassischen Geschäft der kommunalen Stadtwerke aktiv sind? Auch die Mineralölwirtschaft versucht ja, Ladeinfrastruktur selbst auszubauen ...
Maurice Neligan: Wir werden sicher auch aus der Energiewirtschaft Konkurrenz bekommen, aber wir brauchen den Wettbewerb auch. Für uns ist es kein Problem, wenn in der Nachbarschaft eine Ladesäule eines Stadtwerks oder eine andere Tankstelle mit Ladesäule steht. Für den Ausbau der Ladeinfrastruktur brauchen wir alle Kräfte, da gibt es erstmal keine Konkurrenz, das muss auf viele Schultern verteilt werden.
EID: Herr Neligan, wir danken Ihnen für das Gespräch!