Insbesondere asiatische Elektro-Großkonzerne wie Mitsubishi, LG und Daikin drängen mit ihren Wärmepumpen auf den europäischen Markt. Dabei können die Anlagen teils deutlich günstiger produziert werden als „deutsche“ Vergleichsgeräte. Wie hiesige Heizungsbauer sich diesem Wettbewerb „aktiv und entschlossen“ stellen können, damit befassen sich Robert Timmerhaus und Dr. Martin Bernhardt, Experten der Beratung Berg Lund & Company (BLC), in ihrem nachfolgendem Gastbeitrag für den EID.
„Wir sind die erste Generation, die die Auswirkungen des Klimawandels spürt und die letzte Generation, die etwas daran tun kann.“ So dramatisch beschrieb Barack Obama im Jahr 2014 frei übersetzt eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Knapp 10 Jahre später ist die Elektrifizierung nicht nur im Bereich der E-Mobilität, sondern auch in der Wärmeerzeugung in vollem Gange. Dort hat der Kriegsausbruch in Osteuropa im Jahr 2022 zusätzlich zu einer deutlichen Verschärfung geführt: Die Abkehr von fossilen Brennstoffen beim Heizen wurde nicht mehr als langfristiger Traum, sondern zunehmend als mittelfristige Notwendigkeit angesehen. Dies belegen auch die sprunghaft gestiegenen Absatzzahlen aus dem Jahr 2022: So wurden in Deutschland nach Angaben des Bundesverbandes Wärmepumpen rund 236.000 Einheiten (+ 53 Prozent gegenüber Vorjahr) und am europäischen Gesamtmarkt sogar rund 3 Millionen Einheiten (+ 39 Prozent gegenüber Vorjahr) abgesetzt.
Diese Zahlen aus dem vergangenen Jahr sind gleichzeitig Ausdruck des Strebens sowohl nach Nachhaltigkeit als auch nach stärkerer Energieunabhängigkeit vonseiten der Gesellschaft und der Politik. Begleitet durch ansprechende Förderungen der Bundesregierung wurden Wärmepumpen im Vorjahr zur deutlich attraktiveren Alternative gegenüber Gas- und Ölheizungen, trotz eines initial höheren Investitionsvolumens.
In Deutschland gerät dieser Wandel im Jahr 2023 allerdings deutlich ins Stocken. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Allen voran herrscht eine spürbare Verunsicherung unter den Marktteilnehmern aufgrund des kontrovers diskutierten Gebäudeenergiegesetzes und abrupter Veränderungen in der deutschen Förderpolitik. Zusätzlich stellten Verbraucher durch temporär deutlich erhöhte Strompreise entsprechende Investitionen zurück.
Aber auch makroökonomische Faktoren spielen eine wichtige Rolle: Das gestiegene Zinsniveau macht hohe Investitionen in Wohnungsbau und -modernisierung inzwischen deutlich unattraktiver. Gerade im Wohnungsneubau ist laut Auswertungen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft mehr als jede zweite verbaute Heizung bereits heute eine Wärmepumpe.
Nun ist hierzulande vorübergehend Sand im Getriebe, doch die Richtung bleibt unverändert: Der Trend wird weiterhin zur Wärmepumpe gehen. Der deutsche Heizungsmarkt wird hierbei von den traditionsreichen deutschen Heizungsbauern wie Viessmann, Bosch/Buderus und Vaillant angeführt. Noch.
Die Befürchtung, sich hierzulande zu lange auf die ertragreichen Öl- und Gasheizungen fokussiert zu haben, erscheint berechtigt. Denn die Technologie hinter den elektrischen Wärmepumpen ist nicht besonders komplex und zieht weitere Marktteilnehmer an, unter anderem asiatische Elektro-Großkonzerne wie Mitsubishi, LG und Daikin. Diese drängen auf den europäischen Markt und bauen insbesondere in Osteuropa und der Türkei aktiv ihre Produktionskapazitäten aus, so etwa Daikin in Tschechien und Polen sowie Mitsubishi in der Türkei. Sie rücken damit strategisch bewusst näher an die europäischen Absatzmärkte heran.
Diese Elektro-Großkonzerne können mit bereits vorhandenen, sehr hohen Produktionskapazitäten für technologisch verwandte Klimageräte und entsprechenden Skaleneffekten punkten. Auf gut Deutsch: Sie sind am Ende deutlich günstiger, im Durchschnitt um rund 30 Prozent. Kostet eine „deutsche“ Wärmepumpe im Brutto-Listenpreis durchschnittlich zwischen 15.000 bis 20.000 Euro, so bewegen sich asiatische Modelle überwiegend im Bereich zwischen 10.000 bis 15.000 Euro.
Natürlich sind dabei weitere Aspekte zu berücksichtigen, seien es mögliche Unterschiede in der Effizienz, in den verwendeten Kältemitteln, den Geräuschpegeln oder etwa bezüglich des Designs. Außerdem sind hiesige Heizungsbauer vertrauter mit Geräten deutscher Hersteller. Angesichts der großen Preisunterschiede dürften Verschiebungen auf der Nachfrageseite aber dennoch absehbar sein.
Ein Vergleich mit der wechselhaften Geschichte der deutschen Solarbranche hinkt in vielen Aspekten und doch drängt sich die Frage auf: Was ist angesichts dieser Herausforderungen die Überlebensstrategie der deutlich kleineren deutschen Heizungsbauer?
Ein Versuch des „Aussitzens“ dieser verschärften Marktsituation ist die denkbar schlechteste Option. Stattdessen müssen sich deutsche Heizungsbauer diesen Herausforderungen aktiv und entschlossen stellen, um keinen massiven Bedeutungsverlust zu erleiden.
Für hohe öffentliche Aufmerksamkeit sorgte im April 2023 der Ansatz von Viessmann: Das Familienunternehmen entschied sich bereits frühzeitig für ein Bündnis mit einem US-amerikanischen Großkonzern und verkaufte das Kerngeschäft an Carrier Global.
Deutsche Heizungsbauer, die diesem Beispiel nicht folgen möchten, müssen ihre Strategie in jedem Fall grundlegend an die neue Marktsituation anpassen. Hier sind drei prominente Handlungsfelder zu betonen.
Erstens: Sie müssen wachsen, um ebenfalls Skaleneffekte zu erzeugen. Viele deutsche Heizungsbauer investieren bereits offensiv in die Produktion von Wärmepumpen an osteuropäischen Standorten, beispielsweise verdoppelte Vaillant dieses Jahr seine Produktionskapazität mit einem neuen Werk in der Slowakei. Neben einem organischen Wachstum ist zudem die Option von möglichen Unternehmenskäufen in diesem Markt als durchaus realistisch zu bewerten.
Zweitens: Sie müssen die Kundenschnittstelle besetzen. Dies beinhaltet, im Rahmen ihres klassisch mehrstufigen Vertriebs die Installateure und Handwerksbetriebe weiterhin aktiv an sich zu binden. Doch dies allein genügt nicht: Während Öl- und Gaskessel traditionell „buy & forget“-Produkte waren, ist die Wärmepumpe für den Besitzer meist deutlicher im Alltag sichtbar. Heizungsbauer müssen heute auch Endkunden direkt ansprechen, sie mit ganzheitlichen Lösungen und vernetzten Ökosystem begeistern und mit dieser „neuen“ Kundengruppe dort in Austausch treten, wo sie in einer hybriden Welt immer häufiger zu finden ist: auf digitalen Kanälen.
Drittens: Sie müssen die Grundlagen in ihren Operations schaffen. In der Praxis scheitern Skalierungsziele häufige an fehlenden Voraussetzungen im Betrieb. Heizungsbauer müssen ihre Prozesse gesamthaft einfacher und skalierungsfähiger aufstellen – und nicht zuletzt stärker am Endkunden und dessen Bedürfnissen ausrichten. In vielen Fällen bedeutet das zunächst eine Harmonisierung von historisch gewachsenen Prozess- und IT-Strukturen – nicht um die Flexibilität an internationalen Märkten einzuschränken, sondern sie zu erleichtern. Denn so entsteht der Handlungsspielraum, um das Geschäft unter den Zielstellungen der Kundenzentrierung und Digitalisierung zu modernisieren.
Der Heizungsmarkt befindet sich im Umbruch, gleiches ist „unseren“ Heizungsbauern zu empfehlen.