Die Technischen Werke Ludwigshafen (TWL) haben sich ein ungewöhnliches Wärmetransformations-Projekt in Zusammenarbeit mit BASF und den Stadtwerken Frankenthal auf die Agenda gesetzt. Auf dem Gelände einer riesigen Kläranlage des Ludwigshafener Chemiekonzerns will der Versorger unter Nutzung des Klärwassers mit Großwärmepumpen umfangreiche Wärme-Mengen für die Fernwärmenetze erzeugen. Der EID sprach über das Projekt mit TWL-Technikvorstand Thomas Mösl.
EID: Herr Mösl, derzeit suchen im Zuge der seit 2024 nun gesetzlich vorgeschriebenen Wärmeplanung viele Versorger dringlich nach grünen, bislang ungenutzten Wärmequellen für die Speisung ihrer Fernwärmenetze. Wie es scheint, haben Sie bei TWL vor Ort in Ludwigshafen eine ganz besonders ertragversprechende Option ausfindig gemacht …
Thomas Mösl: Das ist richtig, ich würde sogar sagen, sie ist sensationell. Und das hängt auch damit zusammen, dass wir in Ludwigshafen das Glück haben, Standort des größten zusammenhängenden Chemiewerks der Welt zu sein. Die BASF hatte 1974 entschieden, eine Gemeinschaftskläranlage zu errichten. Und diese Kläranlage, die wir nun zur Wärmegewinnung nutzen wollen, ist eine der größten Anlagen dieser Art in Europa. Sie sammelt die Abwässer sowohl aus Gemeinden aus der Vorderpfalz, der Stadt Ludwigshafen, aber natürlich auch aus dem Chemiewerk.
EID: Bevor wir näher zur energetischen Nutzung dieser Klärwassermengen kommen, können Sie einen Einblick geben, wie die Fernwärme in Ludwigshafen bzw. in Ihrem Versorgungsgebiet bislang aufgestellt ist?
Thomas Mösl: Wir sind in Ludwigshafen mit der Fernwärme schon recht weit. Im bundesweiten Schnitt liegt der Fernwärme-Anteil bei 14 Prozent. Wir sind, Stand heute, bereits bei 22 Prozent, liegen also deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Unsere Fernwärme-Erzeugung speist dabei drei Netze, die nicht miteinander verbunden sind.
EID: Aus welchen Erzeugungsanlagen werden diese drei Wärmenetze bislang vorsorgt, und gibt es dabei bereits Berührungspunkte mit BASF?
Thomas Mösl: Das größte der drei Netze versorgt die Ludwigshafener Innenstadt. Hier sind wir mit dem Betrieb des Gemeinschafts-Müllheizkraftwerks Ludwigshafen, kurz: GML, beauftragt. Das GML ist direkt angegliedert an unser Fernheizkraftwerk. Damit sind wir, was den Erneuerbaren-Anteil anbelangt, schon mal gut aufgestellt. Neben einem kleinen Netz im Süden der Stadt, das über ein Gas-BHKW versorgt wird, gibt es ein weiteres Netz im Norden in direkter Nachbarschaft zur BASF und der dortigen Kläranlage im Ortsteil Pfingstweide. Dieses Netz wird über die Klärschlammverbrennung der BASF und ein Gaskraftwerk für die Notversorgung betrieben. Und hier arbeiten wir schon seit 1992 mit der BASF zusammen.
EID: Zurück zu Ihrem neuen Großwärmepumpen-Projekt an der BASF-Kläranlage: Wie wird dieses Projekt, wenn es umgesetzt wird, ablaufen bzw. die Anlage konkret installiert werden?
Thomas Mösl: In der Umsetzung werden diese Großwärmepumpen, es können mehrere sein, bei der Kläranlage in den Auslauf in Richtung Rhein eingebaut. Und wir brauchen bei der Wärmepumpentechnologie natürlich Strom, um die Wärme hochzutransformieren.
EID: Es ist also ein mehrstufiges Projekt geplant …
Thomas Mösl: Für uns ist es günstiger, mehrere Großwärmepumpen und nicht eine einzige ganz große zu betreiben. Zum einen liegt das daran, dass wir die Fernwärmeversorgung in Ludwigshafen ja weiter ausbauen wollen und auch Frankenthal in die Fernwärme einsteigen will. Dabei können wir natürlich nicht die ganze Stadt auf einmal umgraben. Und, über diese Bauproblematik hinaus, ist es auch eine Kostenfrage, es spart am Anfang Geld, nicht gleich die Großwärmepumpe in der Endausbaustufe zu bauen. Ziel ist ja, bis 2045 klimaneutral zu werden – wir wollen das Projekt also in den nächsten 20 Jahren schrittweise um weitere Großwärmepumpen ergänzen, entsprechend der Hochlaufkurve bei den Kunden und Abnehmern.
Ein weiterer Vorteil der Modularität ist, dass wir mit mehreren Einzelanlagen im Abwasserkanal flexibler sind, sollten sich später im Betrieb technischen Probleme zeigen – etwa Ausfälle oder Revisionen. Wir erhöhen also die Versorgungssicherheit.
Wie viele Wärmepumpen am Ende modular zusammenkommen, das wissen wir erst nach Abschluss der Machbarkeitsstudie, die wir aktuell durchführen. Werden es drei, werden es fünf, das werden Ingenieure berechnen.
EID: Welchen Wärme-Ertrag versprechen Sie sich von dem Großwärmepumpen- Projekt?
Thomas Mösl: Da es sich um eine so gigantisch große Kläranlage handelt, kommen wir im Ausfluss auf rund 300.000 Liter am Tag – und die Temperatur liegt ungefähr bei 23 Grad. Zum Vergleich: Bei einer gewöhnlichen kommunalen Kläranlage fließt das Wasser mit etwa 10 Grad aus. Und ein weiterer Vergleich, da ja derzeit bei anderen Versorgern auch Großwärmepumpen mit Rheinwasser geplant sind bzw. schon laufen: Der Rhein kommt im Winter – und im Winter haben wir den Fernwärmebedarf – nur auf rund 5 Grad. Also, diese Konstellation mit den 23 Grad und der Menge von 300.000 Litern Abwasser, das ist schon eine einmalige Situation. Hinzu kommt beim Standort der Vorteil, dass die Kläranlage neben der erwähnten Klärschlammverbrennung gelegen ist. Es liegen schon Fernwärmeleitungen dort. Wir fangen also nicht bei Null an, sondern können auf einer existierenden Partnerschaft aufbauen.
Ein weiterer genereller Pluspunkt der Wärmepumpen-Nutzung am Standort, vor allem aus BASF-Sicht, ist, dass sich die Temperatur des Abwassers, das in den Rhein fließt, reduziert. Das spielt vor allem im Sommer eine wichtige Rolle mit Blick auf die Debatte um Klimaerwärmung und zu warmes Flusswasser.
EID: Wie stromintensiv ist eine solche Anlage, wie attraktiv wird das Projekt aufgrund der energetischen Hebelwirkung durch die Wärmepumpe?
Thomas Mösl: Um es noch einmal technisch zu fassen: Die Effizienz der Anlage bemisst sich am COP-Wert – coefficient of performance. Soweit mir bekannt ist, kommen solche Großwärmepumpen, wie sie jetzt etwa im Rhein arbeiten, auf einen COP-Wert von über 2. Wir hingegen kämen mit unserer Anlage – die genauen Berechnungen laufen ja mit der Machbarkeits-Studie noch – auf einen COP-Wert von über 5. Unser Wert ist damit sehr hoch. Die genauen Strommengen lassen sich noch nicht beziffern, das wird nun ingenieurtechnisch und in wirtschaftlicher Sicht im Zuge der Machbarkeitsstudie ermittelt.
EID: Und wie ist der Zeitplan für das Projekt?
Thomas Mösl: Wir wollen 2025 die Bauentscheidung treffen. Wenn alles gut läuft, sollte die Anlage Ende 2027 in Betrieb gehen. Das gilt für das erste Anlagen-Modul des angedachten Ausbaupfades.
EID: Sie haben bereits ausgeführt, dass es sich bei Ihrem Projekt mit der gemeinsamen Kläranlagen-Nutzung von Kommune und BASF um eine sehr spezielle Konstellation handelt. Wäre das Modell dennoch sinnvoll übertragbar auch auf andere Kommunen?
Thomas Mösl: Übertragen lässt es sich bestimmt, weil die Klärwassernutzung mit Sicherheit interessanter ist als ein ‚kalter Fluss‘. Doch die Menge, die man andernorts am Ende erzeugen können dürfte, wird natürlich bei Weitem nicht so hoch sein. In der Endausbaustufe erwarten wir bei uns bis zu 180 MW Erzeugungsleistung. Wenn wir dies, wieder vorbehaltlich der Ergebnisse der Machbarkeitsstudie, am Ende in Summe für Ludwigshafen und Frankenthal erzielen und damit bis zu 18.000 Hausanschlüsse versorgen, dann ist das schon eine gewaltige Menge.
EID: Welche finanziellen Dimensionen hat das Projekt?
Thomas Mösl: Die Investition wird am Ende des Tages sicherlich auf einen dreistelligen Millionenbetrag hinauslaufen – je nachdem natürlich, wie man das finanziell abgrenzt. Denn wir müssen ja auch die Transportleitungen weiter ausbauen oder Leitungen nach Frankenthal legen. Und wir wollen im Zuge des Projekts auch das Netz im Norden mit dem Innenstadt-Netz verbinden, um dann entlang dieser Verbindungsstrecke über Stichleitungen weitere Ortsteile zu erschließen, die für uns wirtschaftlich interessant sind.
EID: Wie sind die Beteiligungsverhältnisse, inwieweit sind BASF und der weitere Partner Stadtwerke Frankenthal – auch finanziell – mit im Boot?
Thomas Mösl: Stand heute setzen wir zu dritt zunächst die Machbarkeitsstudie gemeinsam um. Wie das Verhältnis am Ende des Tages unternehmenstechnisch ausgestaltet wird, ob es eine gemeinsame Projektgesellschaft geben wird, auch das klären wir im Rahmen der Machbarkeitsstudie. Dann können wir auch beantworten, in welcher Rechtsform und in welchem Beteiligungsverhältnis wir das Projekt umsetzen. Wir arbeiten aktuell partnerschaftlich sehr gut zusammen und werden das Projekt auch gemeinsam ins Werk setzen.
EID: Sie werden auch die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze – BEW – in Anspruch nehmen. Wie bewerten Sie die aktuelle Förderpolitik im Bereich der Wärmetransformation?
Thomas Mösl: Wir sehen die Situation momentan sehr kritisch. Wir verfügen jetzt über die Förderung für die Umsetzung der Machbarkeitsstudie, für mehr aber noch nicht. Und wir planen ja – unabhängig vom aktuellen Projekt – den weiteren Fernwärmeausbau. Firmen werden wir kaum mit dem Ausbau beauftragen, wenn nicht klar ist, ob die Förderung am Ende kommt, mit der ursprünglich kalkuliert wurde. Die Energiepolitik der Bundesregierung ist an dieser Stelle nicht gut, anders kann man das nicht ausdrücken. Wir können bei einem solchen Zickzack-Kurs keine langfristigen Investitionen planen.
Die gesamte Energiewende, davon gehen Verbände aus, wird wohl bis 2045 bundesweit Investitionen von rund 600 Milliarden Euro nötig machen. Auf dem Weg bis 2045 brauchen wir daher dringend Verlässlichkeit. Beim aktuellen Projekt reden wir von einem Zeitraum von drei Jahren. Und nun etwa zu sagen, für 2024 zahlen wir nochmal die Förderung, aber für 2025 kürzen wir die jährliche Fördersumme um 200 Millionen Euro, das geht nicht. Bei einer Förderquote von 40 Prozent, Stand heute, spielen diese Gelder natürlich eine erhebliche Rolle. 40 Prozent haben oder nicht haben, das macht für den Business-Case einen gewaltigen Unterschied.
EID: Abschließend eine Frage über das aktuelle Projekt hinaus. Wie ist in Ludwigshafen insgesamt der Stand bei der Wärmeplanung? Die Großstadt ist laut Wärmeplanungsgesetz in der Pflicht, ihre Planungen bis 2026 vorzulegen …
Thomas Mösl: Die Stadt Ludwigshafen, die sich eng mit den TWL abstimmt, hat bereits Ende letzten Jahres den Förderbescheid für die Erstellung der Wärmeplanung erhalten. Und damit ist die Stadt Ludwigshafen, das darf ich sagen, unter den ersten 11 Prozent der Kommunen bzw. Kommunalversorger in der Pfalz. Wir haben als Vorbereitung dafür auch bereits eine Wärmeplanung erstellt, die für die kommunale Wärmeplanung eine wesentliche Grundlage bilden wird. Auch ein Ingenieurbüro ist bereits beauftragt, das die kommunale Wärmplanung mit der Stadt und uns umsetzen soll. Wir wollen idealerweise schon Ende 2025 Ergebnisse vorlegen.
EID: Herr Mösl, vielen Dank für das interessante Gespräch.