Einst als Gashandelsakteur im deutschen Markt gestartet, will die Schweizer MET Group mit Erneuerbaren und grünem Wasserstoff wachsen. Dank der kommunalen Wärmeplanung bekommt der Transformationsprozess neuen Schub. Der EID sprach mit Jörg Selbach-Röntgen, Geschäftsführer von MET Germany, über Marktchancen und welche Rolle Ökostrom und Grüngas bei der Wärmewende spielen.
EID: Herr Selbach-Röntgen, die MET Group hat sich auf den Weg vom Gashandels- zum Grünstromriesen gemacht, bis 2026 wollen Sie über ein grünes Portfolio im Umfang von 2.000 Megawatt Leistung verfügen. Wie weit ist Ihr Unternehmen auf diesem Weg mittlerweile vorangekommen?
Selbach-Röntgen: Wir sind tatsächlich gut vorangekommen: Derzeit haben wir Solaranlagen und Windparks mit einer installierten Leistung von rund 400 MW in Betrieb und rund 800 MW in Entwicklung. Das ist eine gute Basis, wir müssen aber noch an Tempo zulegen.
EID: MET hat sich im vergangenen Jahr mit 25 Prozent an einem Windenergieentwickler in der Schweiz beteiligt. Die Schweiz ist ein ganz kleiner Windmarkt, Europas größter Windmarkt liegt nördlich der Alpen, in Deutschland. Wird sich MET auch in Deutschland an einem Projektentwickler beteiligen beziehungsweise komplett übernehmen, umso den Zugriff auf mehr grüne Megawatt zu bekommen?
Selbach-Röntgen: Dass wir uns in Zukunft als Gruppe verstärkt auch dem deutschen Markt widmen, ist durchaus eine Option, die wir erwägen. Mehr lässt sich dazu derzeit nicht sagen.
EID: In Deutschland sind die Kommunen seit Beginn dieses Jahres einer Wärmeplanung verpflichtet, die nach Vorstellungen der Ampelregierung den Weg zum vermehrten Einsatz von regenerativen Energien ebnen soll. Wie beeinflusst das Ihre Geschäfte als Gasgroßhändler?
Selbach-Röntgen: Genau diese Frage stelle ich mittlerweile regelmäßig an unsere kommunalen Kunden. Was das genau heißt, welcher Zeitplan beispielsweise mit dem schrittweisen Ausstieg aus den fossilen Energien verbunden ist, kann uns derzeit aber niemand seriös beantworten. Während der gesamten Transformationszeit stehen wir aber fest an der Seite unserer Kunden. Ich betone dabei immer wieder, dass diese politisch gewollte Transformation länger dauern wird, als heute vielfach erwartet wird. Ein Beispiel dafür sind die Wasserstofflieferungen. Bis wirklich ausreichende Mengen zur Verfügung stehen, reden wir nicht über einen Sprint, sondern über einen Marathon.
EID: Zurück zur kommunalen grünen Wärmeversorgung: Ist es nicht sinnvoller und praktikabler, die Umstellung mit einer schrittweisen Quotierung anzupacken? Eine 100-prozentige Umstellung auf grüne Energien dürften realistischerweise nur die allerwenigsten Städte und Gemeinde in den kommenden Jahren umsetzen können.
Selbach-Röntgen: Diese Quote ist für mich ein wirklich gangbarer Weg. Wir werben dafür bei unserem Dialog mit verschiedenen Interessengruppen aus Industrie, Politik und Verbänden. Bis es wirklich ausreichend grüne Gase auf dem Markt geben wird, reden wir über ganz kleine Steigerungen bei der jährlichen Quotierung. Dieser Weg brächte nicht nur endlich eine verlässliche Planbarkeit auf der Abnehmerseite. Auch die Produzenten könnten so gezielt in neue Erzeugungskapazitäten investieren. Erst wenn es einen Absatzmarkt gibt, werden Investitionen in die Erzeugung unterschrieben. Wie gesagt, dieser Prozess ist nicht von heute auf morgen zu haben. Keine Frage, auch wir als Großhändler würden von diesem Weg profitieren. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass diese Grüngas-Quote kommt. Wenn nicht noch in dieser Legislaturperiode, dann ab 2026. Wir wissen, dass es in Kreisen der Ampelfraktionen Unterstützung für diese Quoten-Idee gibt, auch in den Reihen der Opposition gibt es Zustimmung.
EID: Wie groß ist die Bereitschaft Ihrer Kunden angesichts der zuletzt deutlich gesunkenen Erdgaspreise, die Umstellung auf grüne Gase wirklich anzupacken?
Selbach-Röntgen: Das ist genau der Punkt. Die Transformation kommt. Deshalb ist es einfacher, diese Umstellung schrittweise und planbar anzupacken. Ich kann nur jedem unserer Kunden raten, sich intensiv und frühzeitig mit der Beschaffung grüner Gase zu beschäftigen. Wenn es erst einmal einen Gesetzentwurf geben sollte, dann hat der Ausverkauf für die vorhandenen Mengen bereits begonnen. Ich würde mir wünschen, über Terawattstunden reden zu können. Realistisch reden wir aber nur über einige hundert Gigawattstunden. Das ist bitter und überhaupt nicht zufriedenstellend. Unabhängig von meinem Job als Händler stellt mich diese Situation auch als Bürger nicht zufrieden.
EID: Es gibt derzeit eine Diskussion, dass Deutschland längst nicht so viele wie geplante LNG-Terminals braucht. Sind die Planungen überdimensioniert?
Selbach-Röntgen: Die Planungen, die das Bundeswirtschaftsministerium vorgelegt hat, halte ich für realistisch und angemessen. Für die deutsche Volkswirtschaft ist es einfach wichtig, über Reservekapazitäten zu verfügen. Ich will aber nicht verhehlen, dass ich unzufrieden damit bin, wie wenige LNG-Mengen bislang in Deutschland angelandet sind. Dem Markt würden mehr langfristige LNG-Mengen guttun.
EID: Sehen Sie die neuen LNG-Terminals nicht auch als Versorgungshub für die neuen Gaskraftwerke, die der Entwurf der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung vorsieht?
Selbach-Röntgen: Diese Korrelation ist gegeben.
EID: Herr Selbach-Röntgen, vielen Dank für das interessante Gespräch.